Best Practices für Projekte und Produkte – Barrierefreiheit für Software in der Praxis umsetzen

Inhalte im Überblick:

• Sensibilisierte und geschulte Projektmitarbeitende als Grundlage für die Realisierung der Barrierefreiheit begreifen
• Aktivitäten zur Umsetzung der Barrierefreiheit im Software-Lebenszyklus kennen

Ist Barrierefreiheit als Projektziel bzw. Management-Ziel bekannt und definiert, müssen Verantwortlichkeiten festgelegt und die nächsten Schritte geplant werden, um Barrierefreiheit effizient in den Software-Lebenszyklus zu integrieren. Barrierefreiheit nimmt dabei den Stellenwert einer nicht-funktionalen Anforderung ein, analog zu den Anforderungen zum Datenschutz.

Relevante Dokumente und Artefakte, die die Beachtung der Barrierefreiheit dokumentieren und nachweisen, sind bspw.:

• Projektplan
• Definition of Done
• Lastenheft
• Pflichtenheft
• Ausschreibungsunterlagen
• Styleguide
• Benutzerdokumentation für Barrierefreiheitsfunktionen
• Audit-Protokolle
• Testberichte, Nachtestberichte
• Stellungnahmen und Freigaben
• Prozessdefinition und Dokumentation zum Feedback-Mechanismus
• Iterative Testberichte zum laufenden Betrieb, z.B. bei Änderungen der Anforderungen an die Barrierefreiheit oder Monitoring-Berichte

Auch die Dokumente und Artefakte zur Projektdokumentation müssen barrierefrei erstellt werden.

Alle Mitarbeitenden im Projekt sollten grundlegend für Barrierefreiheit sensibilisiert sein.

Mitarbeiter*innen, die barrierefreie (Teil-)Produkte erstellen, müssen für die jeweilige Technologie oder ihre jeweilige Rolle weitergebildet sein. Beispielsweise sind folgende am Projekt beteiligte Rollen maßgeblich für die Umsetzung der Barrierefreiheit verantwortlich:

• Konzepter*innen, die Funktionalitäten konzeptionieren (auch Interaktionsdesign)
• Informationsarchitekten*innen, die Informationen organisieren und hierarchisieren
• Designer*innen, die das User Interface gestalten
• Entwickler*innen, die das User Interface mit einer bestimmten Programmiersprache umsetzen
• Software-Architekt*innen, die die Software-Architektur und Schnittstellen planen
• Redakteure*innen, die Inhalte erstellen und einpflegen
• Service-Mitarbeiter*innen, die Kundenprobleme zur Barrierefreiheit aufnehmen und weiterleiten

Projekt- bzw. Maßnahmenverantwortliche (Fachseite):

• Barrierefreiheit als Ziel definieren
• Geltende Gesetze, Normen und Richtlinien im Kontext der IT-Lösung angeben
• Den größten Bereich potenzieller Benutzer angeben
• Projektbeteiligte sensibilisieren und weiterbilden lassen
• Aktivitäten zur Herstellung der Barrierefreiheit in den Projektplan aufnehmen
• Gremienzusammenarbeit planen

IT-Dienstleister bzw. Software-Hersteller (Entwicklungsseite):

• Beratung von Projekt- bzw. Maßnahmenverantwortlichen (Fachseite) in Bezug auf die Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen

Barrierefreiheitsexperte/-in Planung, Entwicklung, Betrieb (Internes Kompetenzzentrum Barrierefreiheit, Fachstelle Barrierefreiheit):

• Beratung von Projekt- bzw. Maßnahmenverantwortlichen (Fachseite) und Projektbeteiligten in Bezug auf die Aktivitäten zur Herstellung der Barrierefreiheit

Personalvertreter bzw. Schwerbehindertenvertrauenspersonen:

• Klärung des Informationsbedarfes und Abstimmung der Zusammenarbeit mit Maßnahmenverantwortlichem

Projekt- bzw. Maßnahmenverantwortliche (Fachseite):

• Ableitung der maßnahmenspezifischen Barrierefreiheitsanforderungen aus den geltenden Gesetzen, Standards und Richtlinien
• Barrierefreiheitsanforderungen in den Anforderungskatalog (Pflichtenheft, Lastenheft) aufnehmen
• Dokumentation und Begründung für die nicht Anwendbarkeit von Barrierefreiheitsanforderungen

IT-Dienstleister bzw. Software-Hersteller (Entwicklungsseite):

• Beratung bei der Definition der Barrierefreiheitsanforderungen
• Prüfung der Realisierungsmöglichkeiten der Barrierefreiheitsanforderungen
• Barrierefreiheitsanforderungen bei der Software-Architektur (Schnittstellen) einbeziehen

Barrierefreiheitsexperte/-in Planung, Entwicklung, Betrieb (Internes Kompetenzzentrum Barrierefreiheit, Fachstelle Barrierefreiheit):

• Beratung bei der Definition der Barrierefreiheitsanforderungen
• Sensibilisierung und Schulung der Maßnahmenbeteiligten in Bezug auf Arbeitsweisen von Menschen mit Behinderung und Barrierefreiheitsanforderungen

Personalvertreter bzw. Schwerbehindertenvertrauenspersonen:

• Ggf. Stellungnahme zur Entwurfsfassung der maßnahmenspezifischen Barrierefreiheitsanforderungen

Projekt- bzw. Maßnahmenverantwortliche (Fachseite):

• A- und B-Kriterien zur Barrierefreiheit in den Vergabeunterlagen mit Hilfe der Barrierefreiheitsanforderungen definieren

Einkauf bzw. Beschaffung:

• Unterstützung bei der Berücksichtigung der Barrierefreiheitsanforderungen im Vergabeverfahren

IT-Dienstleister bzw. Software-Hersteller (Entwicklungsseite):

• Unterstützung bei der Berücksichtigung der Barrierefreiheitsanforderungen im Vergabeverfahren

Personalvertreter bzw. Schwerbehindertenvertrauenspersonen:

• Ggf. Stellungnahme zur Vergabeunterlage

Projekt- bzw. Maßnahmenverantwortliche (Fachseite):

• Steuerung IT-Dienstleister bzw. Software-Hersteller (Entwicklungsseite) bei der Umsetzung der Barrierefreiheit

IT-Dienstleister bzw. Software-Hersteller (Entwicklungsseite):

• Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen in der IT-Lösung in Design und Programmierung
• Erstellen der Benutzerdokumentation für Barrierefreiheitsfunktionen

Barrierefreiheitsexperte/-in Planung, Entwicklung, Betrieb (Internes Kompetenzzentrum Barrierefreiheit, Fachstelle Barrierefreiheit):

• Beratung bei der Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen
• Sensibilisierung und Schulung der Maßnahmenbeteiligten in Bezug auf Arbeitsweisen von Menschen mit Behinderung und Barrierefreiheitsanforderungen
• Ggf. Auditierung von Entwicklungsprozessen

Projekt- bzw. Maßnahmenverantwortliche (Fachseite):

• Abnahme der IT-Lösung auf Grundlage der Ergebnisse der Barrierefreiheitstests
• Erstellung von Maßnahmenplänen, falls Barrierefreiheitsmängel festgestellt werden

IT-Dienstleister bzw. Software-Hersteller (Entwicklungsseite):

• Bearbeitung von festgestellten Mängeln der Barrierefreiheit

Barrierefreiheitsexperte/-in Planung, Entwicklung, Betrieb (Internes Kompetenzzentrum Barrierefreiheit, Fachstelle Barrierefreiheit):

• Durchführung von Barrierefreiheitstests (sowohl formativ als auch summativ), z.B. als Teil der Software-Qualitätssicherung (ISO 25010)
• Beratung des IT-Dienstleisters bzw. Software-Herstellers bei der Bearbeitung von festgestellten Mängeln

Personalvertreter bzw. Schwerbehindertenvertrauenspersonen:

• Stellungnahme zum abschließenden Barrierefreiheitstest
• Ggf. Freigabe, Freigabe mit Auflage, keine Freigabe der IT-Lösung für den Wirkbetrieb

Projekt- bzw. Maßnahmenverantwortliche (Fachseite):

• Sicherstellen der Barrierefreiheit beim Konfigurationsmanagement bzw. bei Systemaktualisierungen
• Beachtung und Bewertung von sich ändernden Technologien, Gesetzen, Normen und Richtlinien in Bezug auf die Barrierefreiheit
• Herstellung eines Feedback-Mechanismus und -Prozesses für Barrierefreiheitsprobleme

IT-Dienstleister bzw. Software-Hersteller (Entwicklungsseite):

• Bearbeitung von festgestellten Mängeln der Barrierefreiheit
• Beachtung der Barrierefreiheitsanforderungen bei der Konfiguration

Barrierefreiheitsexperte/-in Planung, Entwicklung, Betrieb (Internes Kompetenzzentrum Barrierefreiheit, Fachstelle Barrierefreiheit):

• Durchführung von Barrierefreiheitstests bei Änderungen der Benutzungsoberfläche (Haupt-Releases)
• Beratung des IT-Dienstleisters bzw. Software-Herstellers bei der Bearbeitung von festgestellten Mängeln

Personalvertreter bzw. Schwerbehindertenvertrauenspersonen:

• Stellungnahme zu Barrierefreiheitstests

Anwender-Support

• Nehmen Probleme der Barrierefreiheit auf und leiten diese an verantwortliche Stellen weiter

Informationen zu diesem Artikel

Datum:

27.01.2024

Lizenz:

CC-BY-SA 4.0

Version:

1.0

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