Inhalte im Überblick:

  • Verpflichtung öffentlicher Stellen zur Barrierefreiheit erkennen
  • Standards für die Umsetzung der Barrierefreiheit kennen und bewerten

Die öffentlichen Stellen in Bund, Ländern und Kommunen sind gesetzlich verpflichtet, die an den Arbeitsplätzen der Beschäftigten eingesetzte Software einschließlich der elektronischen Dokumente barrierefrei zu gestalten.

Das Behindertengleichstellungsgesetz verpflichtet die öffentlichen Stellen des Bundes, darunter die Dienststellen und sonstigen Einrichtungen der Bundesverwaltung, in § 12a Abs. 1 Satz 2 BGG ihre elektronisch unterstützten Verwaltungsabläufe, einschließlich der Verfahren zur elektronischen Aktenführung und zur elektronischen Vorgangsbearbeitung, barrierefrei zu gestalten. Darüber hinaus sieht § 12a Abs. 1 Satz 1 BGG vor, dass auch die Informationen und Angebote für Beschäftigte im Intranet barrierefrei sein müssen. Weitgehend inhaltsgleiche Vorschriften, die die öffentlichen Stellen der Länder und Kommunen zur Barrierefreiheit verpflichten, ergeben sich aus den Behindertengleichstellungsgesetzen der Länder (vgl. z.B. §9 a Abs. 1 Satz 2 NBGG in Niedersachsen, § 4 Abs. 1 Satz 2 BIKTG in Berlin, § 13 Abs. 1 Satz 5 BremBGG in Bremen und § 12a Abs. 1 Satz 2 SBGG im Saarland). In anderen Bundesländern ergibt sich die Verpflichtung zur Barrierefreiheit von elektronischen Akten und Verfahren zur elektronischen Vorgangsbearbeitung aus der Pflicht, grafische Programmoberflächen, die mit Mitteln der Informationstechnik dargestellt werden, barrierefrei zu gestalten (siehe Art. 14 Abs. 1 BayBGG, § 14 Abs. 1 HessBGG, § 10 Abs. 1 BGG NRW). Darüber hinaus enthalten in einigen Bundesländern auch die jeweiligen E-Government-Gesetze eine ausdrückliche Verpflichtung, elektronische Akten und IT-Fachanwendungen barrierefrei zu gestalten (§ 12 Abs. 6 SächsEGovG, § 7 Abs. 4 EGovG Berlin, § 14 Abs. 2 EGovG Bremen und § 14 Abs. 2 EGovG Baden-Württemberg).

Nach § 12a Abs. 2 BGG erfolgt die barrierefreie Gestaltung nach Maßgabe der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) und, soweit diese keine Vorgaben enthält, nach den anerkannten Regeln der Technik. Aus § 3 Abs. 2 BITV 2.0 ergibt sich die Verpflichtung, hierzu insbesondere die Anforderungen aus dem europäischen Standard EN 301 549 (Accessibility requirements for ICT products and Services), in seiner jeweils im Amtsblatt der EU referenzierten, aktuellen Fassung, umzusetzen und einzuhalten. Darüber hinaus sind nach § 3 Abs. 3 und Abs. 4 BITV 2.0 weitere Standards (wie z.B. die DIN EN ISO 9241-171 – Leitlinien für die Zugänglichkeit von Software und die DIN ISO 14289-1 – PDF/UA-Standard) und Anforderungen zu beachten. Weitgehend inhaltsgleiche Verpflichtungen zur barrierefreien Gestaltung ergeben sich auch aus dem Landesrecht. In zahlreichen Bundesländern verweist das Landesrecht hierzu auf die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) in ihrer jeweils aktuellen Fassung und erklärt diese für entsprechend anwendbar (§ 10 Abs. 1 Satz 2 L-BGG BW, § 3 Abs. 3 BIKTG Berlin, § 13 Abs. 2 Satz 2 BremBGG, § 2 Abs. 2 Satz 1 BfWebG Sachsen, § 1 Abs. 1 Satz 2 BayEGovV, § 1 Satz 1 HmbBITVO, § 1 Abs. 4 BITV RhPf, § 9 Abs. 2 SBGVO, § 2 ThürBITVO).

Ziel der Vorschriften ist es, eine umfassend und grundsätzlich uneingeschränkt barrierefreie Gestaltung zu ermöglichen und zu gewährleisten (§ 1 Abs. 1 BITV 2.0). Informationen und Dienstleistungen öffentlicher Stellen, die elektronisch zur Verfügung gestellt werden, sollen ebenso wie elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe mit und innerhalb der Verwaltung für Menschen mit Behinderungen barrierefrei zugänglich und nutzbar sein (§ 1 Abs. 2 BITV 2.0). Ausnahmen von der generellen Verpflichtung zur Barrierefreiheit sind daher enge Grenzen gesetzt („excessive burden“).

Eine Verpflichtung, die IT-Ausstattung der Beschäftigten am Arbeitsplatz barrierefrei zu gestalten, ergibt sich auch aus § 164 Abs. 4 Satz 4 Nr. 4 SGB IX. Die Vorschrift gilt sowohl für öffentliche als auch für private Arbeitgeber. Auch insoweit sind zur barrierefreien Gestaltung die sich aus der BITV 2.0 und den anerkannten Regeln der Technik ergebenden Anforderungen zur Barrierefreiheit zu beachten.

Öffentliche Auftraggeber sind zudem verpflichtet, in Ausschreibungs- und Vergabeverfahren die Anforderungen zur Barrierefreiheit in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen (§ 121 Abs. 2 GWB; siehe ergänzend § 127 Abs. 1 Satz 4 GWB und § 58 Abs. 2 Nr. 1 VgV). Diese Verpflichtung ist auch bei Ausschreibungen unterhalb der EU-Schwellenwerte zu beachten (§§ 23 Abs. 4, 43 Abs. 2 Nr. 1 UVgO).

Die folgende Übersicht zeigt die geltende Standards für barrierefreie Software. Zu beachten ist, dass unterschiedliche und teilweise auch mehrere Standards oder Kapitel dieser Standards relevant sind, je nachdem welche Technologien oder Funktionalitäten in der Software Anwendung finden.

Tabelle 1: Übersicht geltende Normen der Barrierefreiheit
Technologie bzw. Funktionalität der SoftwareNormen
SoftwareEN 301 549 Abschnitt 11, DIN EN ISO 9241-171 Abschnitt 7, 8, 9
Elektronische DokumenteEN 301 549 Abschnitt 10, DIN ISO 14289-1 (PDF/UA)
AutorenwerkzeugeEN 301 549 Abschnitt 11.8
Wiedergabe elektronischer Dokumente und Formulare im Format PDFDIN ISO 14289-1 (PDF/UA) Abschnitt 8
IKT-Hardware und Produkte mit geschlossener FunktionalitätEN 301 549 Abschnitt 5
Zwei-Wege-SprachkommunikationEN 301 549 Abschnitt 6
VideofähigkeitenEN 301 549 Abschnitt 7
Dokumentation und unterstützende DiensteEN 301 549 Abschnitt12, DIN EN ISO 9241-171 Abschnitt 10
IKT mit Zugang zu Umsetzungs- oder NotfalldienstenEN 301 549 Abschnitt 13
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