Inhalte im Überblick:

  • Verschiedene Aussagen über die Barrierefreiheit unterscheiden können
  • Gütekriterien an den Nachweis der Barrierefreiheit kennen
  • Stichproben für den Barrierefreiheitstest einer Software festlegen

Aus den gesetzlichen Regelungen zur Barrierefreiheit ergibt sich für öffentliche Stellen das Erfordernis behördenintern Prozesse aufzusetzen, die die Umsetzung der Barrierefreiheit für Software sicherstellen. Eine Regelung zum Nachweis der Barrierefreiheit kann diese Prozesse sinnvoll unterstützen, z. B. bei der Beschaffung von Standard-Software, bei der Freigabe eigenentwickelter Software, bei Überlegungen zur Weiterentwicklung oder zum Weiterbetrieb von Bestandssoftware.

Ein Nachweis der Barrierefreiheit kann je nach Testmethode verschiedene Aussagen liefern. Je nach Testziel muss dementsprechend die Testmethode ausgewählt und das Aussageziel definiert werden. Zum Nachweis der Gesetzeskonformität kann eine Inspektion der Software durchgeführt werden mit dem Ziel einer Konformitätsbewertung.

Zur Einschätzung der praktischen Nutzbarkeit der Software (bspw. am Arbeitsplatz) sollte ergänzend ein Cognitive Walkthrough durch Barrierefreiheitsexperten im Rahmen des realen Nutzungskontexts (auch mit assistiven Technologien am Arbeitsplatz) durchgeführt werden. Ziel ist es, eine Aussage über die praktische Benutzbarkeit je Benutzergruppe mit Behinderung zu treffen.

Um eine Aussage über die Usability (auch Software-Ergonomie oder Gebrauchstauglichkeit) zu treffen, können ergänzend Benutzungstests mit Probanden (auch mit Beeinträchtigung) durchgeführt werden.

Folgende Bestandteile sollte ein Bericht zum Nachweis der Barrierefreiheit enthalten:

  • Beschreibung des Testumfangs (geprüfte Dialoge bzw. Workflows)
  • Beschreibung der Testumgebung (Testkontext, Testgeräte, Testwerkzeuge, assistive Technologien)
  • Gesamtergebnis mit
    • Konformitätsbewertung
    • Benutzbarkeitsbewertung (bei Bedarf)
  • Übersicht über erfüllte, nicht erfüllte und nicht anwendbare Konformitätskriterien (es sollen Gründe für die Nichtanwendbarkeit von Kriterien angegeben werden)
  • Problembeschreibung
    • Mindestens für Konformitätsaussage
      • Problemtitel
      • Konformitätsrelevanz
    • Bei Bedarf für Benutzbarkeitsaussage
      • Auswirkung auf die Nutzenden
      • Problemursache
      • Problemvorkommen
      • Problemgewichtung
      • Handlungsempfehlung
  • Beschreibung von beispielhaften Nutzungsszenarien je Nutzergruppe mit Beeinträchtigung und assistiver Technologie mit
    • Erforderliche Eingaben über Tastatur, Hilfsmittel, Sprache etc.
    • Reaktionen und Aktionen (Ausgaben) des Systems
    • Ausgaben der assistiven Technologien
    • Problemen

Soweit Anforderungen zur Barrierefreiheit als „nicht erfüllt“ oder als nur „teilweise erfüllt“ beurteilt werden, werden die Gründe hierfür angegeben und kurz erläutert. Soweit möglich werden im Testbericht Vorschläge aufgenommen, wie sich die Anforderungen zur Barrierefreiheit in der jeweiligen technischen Umgebung umsetzen lassen.

Der Prüfbericht muss barrierefrei lesbar sein.

Folgende Dialoge bzw. Workflows einer Software sind bei der Barrierefreiheitsprüfung mindestens zu betrachten:

  1. Alle Dialoge und Dialogzustände, die Teil eines vollständigen Prozesses/Workflows/Use Cases/Geschäftsprozesses/User Stories/Nutzungsszenarios sind
  2. Dialoge und Dialogzustände mit allen identifizierten
    • allgemeinen Dialogen
    • wesentlichen Funktionen
    • Arten von Dialogen
    • verwendeten Entwicklungstechnologien (eingebettete Tools, wie PDF-Reader, Editoren etc.)
    • anderen relevanten Dialogen
  3. Eine zufällige Stichprobe von Dialogen und Dialogzustände
  4. Benutzerhandbuch und Hilfe-Funktionen

Geprüft wird auch, ob die Software die Standardschnittstellen und insbesondere die Accessibility-API des Betriebssystems unterstützen, auf dem sie lauffähig sind (EN 301 549, Abschnitt 11 insbesondere 11.5 und DIN EN ISO 9241-171, Abschnitt 8.5). Für die Prüfung der Interoperabilität gibt es eigene Werkzeuge und Prüftools, die eine Prüfung ermöglichen, ob die erforderlichen Informationen zur Barrierefreiheit von der geprüften Software zur Verfügung gestellt werden und ob sie an den jeweiligen Schnittstellen für Barrierefreiheit (Accessibility APIs) ankommen. Auf diese Weise lässt sich – ohne Umweg über die assistiven Technologien – unmittelbar prüfen, ob Schnittstellen zur Barrierefreiheit korrekt bedient werden.

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