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Lernziele für diesen Abschnitt:

  • Die Prinzipien der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) kennen lernen
  • Die Bedeutung der DIN EN 301 549 für gesetzliche Vorschriften kennen lernen
  • Web Accessibility Directive (WAD) in Grundzügen verstehen
  • European Accessibility Act (EAA) in Grundzügen verstehen
  • Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV) kennen

In dieser Einleitung werden die wichtigsten Standards und Gesetze zur Barrierefreiheit in Europa und Deutschland erklärt. Zuerst geht es um Standards (WCAG und DIN EN 301 549), dann um die Gesetze, die diese Standards gesetzlich vorschreiben (WAD, EAA, BGG und BITV).

Web Content Accessibility Guidelines (WCAG): Weltweiter Standard für Barrierefreiheit im Web

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Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) teilen sich in vier Grundprinzipien auf:

  1. Wahrnehmbarkeit
  2. Bedienbarkeit
  3. Verständlichkeit
  4. Robustheit

Jedes Prinzip hat einen Schwerpunkt und fasst somit Kriterien zusammen, die diesem Punkt zuzuordnen sind. So befasst sich das Prinzip Wahrnehmbarkeit z.B. mit der Beschriftung von Grafiken oder der Zugänglichkeit von Videos (Untertitel / Audiodeskription). Im Prinzip Bedienbarkeit geht es um die Bedienung per Tastatur oder anderen Eingabegeräten. So soll sichergestellt werden, dass alle Eingabegeräte genutzt werden können, um die jeweilige Webseite oder mobile Anwendung zu bedienen. Im Prinzip Verständlichkeit geht es darum, den Inhalt gut nachvollziehen zu können. Hier wird z.B. darauf geachtet, dass Links eine sinnvolle Beschriftung haben, die gut beschreibt, was der Link tut. Ein anderer wichtiger Punkt in diesem Prinzip ist der konsistente Aufbau der Seite, so soll z.B. die Navigation immer gleich funktionieren. Auch Formulare sollen korrekt beschriftet sein und bei Fehlern den Nutzenden lesbare und nachvollziehbare Hinweise liefern. Beim Prinzip Robustheit geht es darum, dass die einzelnen Bedienelemente wie z.B. Buttons, Auswahllisten von Assistiven Technologien wie z.B. Screenreadern richtig dargestellt und von den Nutzenden bedient werden können.

DIN EN 301 549: Europäischer Standard für Barrierefreiheit

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Die Barrierefreiheit in Europa ist maßgeblich in der europäischen Norm DIN EN 301 549 definiert. Die Norm besteht aus diversen Kapiteln und Anhängen, die die Barrierefreiheit für verschiedene Objekte (Webseiten, mobile Anwendungen, Software, Selbstbedienungsterminals) beschreibt. Welche Kapitel und Kriterien für welches Objekt zutreffen, ist in der Tabelle A.1 (für Webseiten) und A.2 (für mobile Anwendungen) beschrieben. Für die anderen Objekte gibt es keine explizite Kriterienliste; es muss im konkreten Fall selbst ermittelt werden, welche Kriterien anwendbar sind und welche nicht.

Die WCAG-Kriterien sind in der DIN EN 301 549 in Kapitel 9 (Web) aufgeführt. Die WCAG-Kriterien werden in der DIN EN 301 549 auch auf Dokumente (Kap. 10) und Software (Kap. 11) übertragen. Somit bilden die WCAG das Grundgerüst der Barrierefreiheitsanforderungen in der DIN EN 301 549, die aber um weitere Kriterien (auch für Webseiten) in den Kapiteln 5-8 und 12-13 ergänzt werden. Um also ein Objekt barrierefrei im Sinne der DIN EN 301 549 zu machen, ist es notwendig, alle anwendbaren Kriterien aus DIN EN 301 549 zu überprüfen. Eine reine WCAG-Prüfung ist nicht ausreichend.

Web Accessibility Directive (WAD): Europäisches Barrierefreiheitsgesetz für öffentliche Stellen

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Die Web Accessibility Directive (WAD) wurde 2016 von der Europäischen Kommission offiziell mit dem folgenden Titel veröffentlicht: “European Commission - Directive on making public sector websites and apps more accessible (EU) 2016/2102”. Die WAD bezieht sich auf Websites und mobile Apps öffentlicher Stellen. Für Websites und mobile Apps muss eine Erklärung zur Barrierefreiheit angefertigt und ein Feedback-Mechanismus bereitgestellt werden, um Barrieren zu melden. Die WAD definiert keine technischen Kritieren zur Barrierefreiheit, sondern verweist stattdessen auf “anzuwendende Standards”, die separat per Durchführungsbeschluss festgelegt werden können. Ein solcher Durchführungsbeschluss wurde 2018 offziell mit dem folgenden Titel veröffentlicht: “Commission Implementing Decision (EU) 2018/2048 of 20 December 2018 on the harmonised standard for websites and mobile applications drafted in support of Directive (EU) 2016/2102 of the European Parliament and of the Council”. Er bestimmt, dass zur Konformität mit der WAD die Erfüllung der Kriterien aus Tabelle A.1 (für Webseiten) bzw. Tabelle A.2 (für mobile Apps) der DIN EN 301 549 v2.1.2 genügt.

Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV): Deutsche Gesetze für öffentliche Stellen

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Die EU-Richtlinie war bis zum 23.09.2018 von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland ist dies für den Bund durch das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und die Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung (BITV) geschehen. Die BITV ergänzt die Bestimmungen der WAD um zusätzliche Anwendungsbereiche und Kriterien:

  • Barrierefreiheit ist auch für elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe und für “grafische Programmoberflächen” vorgeschrieben.
  • Für Websites sind Erläuterungen in Leichter Sprache und in Gebärdensprache zur Verfügung zu stellen.
  • Für Portalseiten und bestimmte interaktive Webseiten soll ein “höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit” angestrebt werden.
  • Die Länder haben für ihren Zuständigkeitsbereich entsprechende Regelungen getroffen.

European Accessibility Act (EAA): Europäisches Barrierefreiheitsgesetz für Produkte und Dienstleistungen

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Um die Barrierefreiheit für Produkte und Dienstleistungen der Privatwirtschaft zu verbessern, hat die Europäische Kommission 2019 das European Accessibility Act veröffentlicht, offiziell: “Directive (EU) 2019/882 of the European Parliament and of the Council of 17 April 2019 on the accessibility requirements for products and services”. Diese Richtlinie muss noch in deutsches Recht umgesetzt werden. Sie betrifft bestimmte Produkte und Dienstleistungen, die ab dem 28.06.2025 auch barrierefrei gestaltet werden müssen, insb. Internet-Shops, E-Books, Computer, Smartphones, Fernsehgeräte, Fernsehsendungen, Video-Player, Banken, Bankautomaten, Fahrkartenautomaten und sonstige öffentliche Terminals.

Alexander Pfingstl, Gottfried Zimmermann · · CC-BY-SA 4.0