Im Rahmen der Ziele der “Barrierefreie Informationstechnik Verordnung” (BITV 2.0) soll moderne Informations- und Kommunikationstechnik möglichst umfassend und grundsätzlich uneingeschränkt barrierefrei gestaltet werden.

Bei der Umsetzung stößt man schnell auf Unklarheiten, da bestehende Vorgaben viel Interpretationsspielraum lassen.

Diese Unstimmigkeiten führen oft zu unterschiedlichen Auslegungen der bestehenden Vorgaben und spätestens bei der Abnahme von Artefakten oder ganzen IKT-Systemen zu Verdruss bis hin zu juristischen Auseinandersetzungen.

Die Autorinnen und Autoren dieses Dokuments haben sich der Aufgabe angenommen, diese Kluft zwischen den gesetzlichen Anforderungen, Richtlinien, Normen und bestehenden Design Guides oder Styleguides – auch von Software Hersteller – zu schließen.

Die in DIN EN ISO 9241-161 beschriebenen visuellen User-Interface-Elemente wurden dafür betrachtet, um weitere Elemente ergänzt und hinsichtlich der Anforderungen an die Barrierefreiheit gemäß EN 301 549 v3.2.1 erweitert. Für jedes UI-Element wurden Anforderungen in Bezug auf Darstellung, Bedienung sowie Programmierung/Schnittstellen definiert.

Dieses nachschlagewerk dient als Ergänzungshinweis zur DIN EN ISO 9241-161 und als Hilfsmittel zur Umsetzung der EN 301 549 v3.2.1 und soll keinesfalls aktuell gültige gesetzliche Vorgaben oder Richtlinien ersetzen. Im Gegenteil, diese Sammlung basiert darauf und unterliegt einem entsprechenden Aktualisierungsprozess.

Das Dokument versucht folgende Lücken in den Veröffentlichungen zur Barrierefreiheit zu schließen:

Das Dokument richtet sich vorrangig an Entwickler*innen von Software.

Weitere Rollen in der Software-Entwicklung, für die das Dokument hilfreich sein kann, sind u. a.

  • Design (insbesondere bezüglich der Anforderungen an Schriften, Farben und Kontraste sowie der Ausführungen in den Abschnitten „Darstellung“ bei jedem UI-Element),
  • Redaktion für die Textinhalte der Software und Hilfe,
  • Barrierefreiheitstest,
  • Beeinträchtigte Menschen, die Software nutzen (um sich z. B. mit gängigen Tastaturkonventionen vertraut zu machen, siehe dazu die Abschnitte „Tastaturbedienung“ bei jedem UI-Element).

In diesem Dokument werden Barrierefreiheitsanforderungen an Web- und Desktop-Software sowie an hybride Anwendungen (die Web- und Desktop-Technologien vereinen) beschrieben, die auf der Plattformsoftware Microsoft Windows laufen und eine offene Funktionalität aufweisen. Die Anforderungen leiten sich vor allem aus der EN 301 549 (Version 3.2.1, Abschnitt 9 und 11) ab.

Das vorliegende Dokument gilt zunächst nicht für folgende Software:

  • Software mit geschlossener Funktionalität (Abschnitt 5.1 der EN 301 549),
  • Software für Zweiwege-Sprachkommunikation (Abschnitt 6 der EN 301 549),
  • Software mit Videofunktionalität (Abschnitt 7 der EN 301 549),
  • Autorenwerkzeuge (Abschnitt 11.8 der EN 301 549),
  • Software mit Zugang zu Umsetzungs- oder Notfalldiensten (Abschnitt 13 der EN 301 549),
  • Software, die auf anderer Plattformsoftware als Microsoft Windows läuft (wie z. B. Unix, Linux, Chrome OS, macOS, iOS, Android),
  • Assistenztechnologien,
  • Plattformsoftware,
  • Apps für Mobilgeräte (für z. B. Tablets oder Smartphones).

Darüber hinaus gilt das Dokument nicht für:

  • Hardware (Kapitel 8 der EN 301 549),
  • Dokumente (Kapitel 10 der EN 301 549), selbst wenn die Dokumente interaktiv sind (z.B. Tabellenkalkulation mit Makros, PDF mit Formular),

Viele der hier beschriebenen Anforderungen können auf Software anderer Plattformen übertragen werden.

Das Dokument gliedert sich in folgende Bereiche:

Jeder Bereich enthält mehrere Abschnitte, „Bedienelemente“ gliedert sich bspw. in je einen Abschnitt pro konkretem Bedienelement.

Die einzelnen Unterkapitel sind unterteilt in:

  • Einleitung:

    • Synonyme: Andere Bezeichnungen für das beschriebene UI-Element, über die das Element auch im Index auffindbar ist,
    • Verweis auf ähnliche Elemente oder verwandte Themen,
    • Beschreibung des Elements oder Themas,
  • Darstellung (Anforderungen an die visuelle Darstellung)

  • Bedienung (Anforderungen an die Bedienung, insbesondere mit Tastatur und Zeigeinstrumenten)

  • Programmierung/Schnittstellen (Anforderungen an Informationen, die an die Accessibility API übermittelt werden).

Die Anforderungen werden in Tabellenform dargestellt:

Nr.EigenschaftBeschreibungKlassifizierungReferenz
Eindeutige AnforderungsnummerThematische Einordnung der AnforderungEinzuhaltende Anforderung, ggf. ergänzt mit erläuternden HinweisenRelevanz der Anforderung (siehe Klassifizierung der Anforderungen)Herkunft der Anforderung (siehe Referenzen)

Hinweis: Die Gültigkeit der Anforderungen wird wie folgt angegeben:

  • Web-Anwendungen: „Web:“
  • Desktop-Anwendungen: „Desktop:“
  • Hybride Anwendungen: „Desktop:“
  • Für alle Anwendungen gültig: Keine Angabe

Klassifizierung der Anforderungen

Permalink zu "Klassifizierung der Anforderungen"

Die Anforderungen sind wie folgt klassifiziert:

KlassifizierungBedeutungReferenzFormulierung
MussGesetzliche Vorgabe gemäß BITV 2.0

Mindestanforderungen, die erfüllt sein müssen, um Konformität mit der BITV 2.0 herzustellen
EN 301 549, Version 3.2.1

Hinweis: Alle Anforderungen aus der EN 301 549, Kapitel 11.1 bis 11.4, beziehen sich auf die WCAG 2.1. Die Nummerierung der entsprechenden Anforderungen aus der EN 301 549 entspricht der Nummerierung in der WCAG 2.1.

  • Muss
  • Darf nicht
SollWichtige Anforderungen, die erfüllt werden sollen

Gemäß BITV 2.0, §3 Abs. 4 soll es angestrebt werden, die Anforderungen für bestimmte Anwendungsbereiche einzuhalten: „Für zentrale Navigations- und Einstiegsangebote sowie Angebote, die eine Nutzerinteraktion ermöglichen, beispielsweise Formulare und die Durchführung von Authentifizierungs-, Identifizierungs- und Zahlungsprozessen, soll ein höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit angestrebt werden“.
  • WCAG 2.1, AAA-Kriterien
  • WCAG 2.1, A- und AA-Kriterien, die nicht Bestandteil von Kapitel 11 der EN 301 549 sind
  • WCAG 2.2-Kriterien (Entwurf)
  • Sonstige W3C-Spezifikationen
  • Sonstige ISO-Normen
  • Weitere Normen der Reihen DIN EN ISO 9241 (Gebrauchstauglichkeite) mit besonderer Relevanz für die Barrierefreiheit
  • soll
  • soll nicht
Umsetzungsempfehlungen, Hinweise
  • Hinweis
  • Kann
  • empfehlenswert

Die konkreten Anforderungen an die Tastaturbedienung, d.h. welche Tasten zur Bedienung zu verwenden sind, werden wie folgt klassifiziert:

KlassifizierungBedeutung
ErforderlichMindestanforderungen
Wenn diese Anforderungen nicht eingehalten werden können, soll die abweichende Tastaturbedienung dokumentiert werden.
EmpfohlenEmpfohlene Anforderungen
Die Einhaltung dieser Anforderungen dient der erleichterten und effizienteren Bedienung mit der Tastatur.

Hinweis: Die Anforderungen an die Tastaturbedienung können nicht mit „Muss“ oder „Soll“ klassifiziert werden, da die EN 301 549 lediglich die Möglichkeit der Tastaturbedienung verlangt, nicht jedoch konkrete Tasten festgelegt, da diese z.B. von der jeweiligen Plattform abhängen.

Der Elementleitfaden enthält darüber hinaus Hinweise, Empfehlungen und Praxistipps. Diese sind nicht-normativ. Allerdings wird auch in den Hinweisen, Empfehlungen und Praxistipps „muss“, „darf nicht“, „soll“ und „soll nicht“ verwendet, sofern sich auf eine Anforderung bezogen wird.

In den Abschitten zu allgemeinen Themen („Anwendungsbezogene Anforderungen“ und „Elementübergreifende Anforderungen“) wird auf dialogbezogene Anforderungen der EN 301 549 (insbesondere Abschitt 9 zu Web und 11 zu Software) eingegangen. Die Anforderungen werden hier allgemein (d. h. nicht in Bezug auf konkrete UI-Elemente) und weitgehend allumfassend erläutert (d. h. mit möglichen Sonderfällen, Ausnahmen etc.).

In den Abschitten zu einzelnen UI-Elementen (Text, Grafik, Struktur, Bedienelemente) werden lediglich die relevanten Anforderungen für das jeweilige UI-Element aufgeführt. Hier wird darauf eingegangen, was eine allgemeine Anforderung für ein konkretes Element bedeutet. Die Anforderungen werden dabei jedoch nicht unbedingt allumfassend erläutert, d. h. für Sonderfälle und Ausnahmen wird auf den jeweiligen allgemeinen Abschitt verwiesen

Beispiel:

  • Im Abschitt zum UI-Element Checkbox wird nicht auf die Anforderung der visuellen Vergrößerung der Checkbox eingegangen, weil keine Checkbox-spezifischen Probleme oder Anforderungen in Bezug auf das Zoomen existieren. Die Anforderungen an die Vergrößerung sind jedoch im Abschitt „Vergrößerung“ zu finden und gelten somit auch für Checkboxen.
  • Im Abschitt zum UI-Element Checkbox werden spezifische Kontrastanforderungen beschrieben, um genauer zu erläutern, inwieweit die allgemeinen Kontrastanforderungen aus dem Abschitt „Farben und Kontraste“, auf die Checkbox anzuwenden sind. Es wird hier jedoch nicht auf den Sonderfall der deaktivierten Checkbox eingegangen, weil Ausnahmen für deaktivierte Elemente im Abschitt „Farben und Kontraste“ beschrieben sind.

Folgende Elemente werden im vorliegenden Dokument aufgrund ihrer geringen Relevanz für Software nicht beschrieben:

  • Rich Text Editor,
  • Video,
  • Audio,
  • Image map,
  • Landkarten.

Es ist jedoch vorgesehen, diese Anforderungen und Elemente in einer zukünftigen Version des Dokuments aufzunehmen.

Technologiespezifische Besonderheiten

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Einige Programmiersprachen oder Frameworks ermöglichen es aufgrund von Beschränkungen der jeweiligen Technologie nicht, alle Anforderungen zu erfüllen. In diesem Fall soll geprüft werden, ob eine andere Programmiersprache oder anderes Framework verwendet werden kann. Alternativ sollen die Anforderungen so gut wie möglich erfüllt werden. Alle Abweichungen sollen in der Hilfe sowie in der Erklärung zur Barrierefreiheit dokumentiert werden.

Das vorliegende Dokument behandelt keine technologiespezifischen Besonderheiten, sondern konzentriert sich auf das erwartete Verhalten von UI-Elementen.

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