Allgemeine Einordnung
Permalink "Allgemeine Einordnung"Um die Bedeutung von Bilddateien erfassen zu können, sind Personen, die visuelle Inhalte nur eingeschränkt bzw. gar nicht wahrnehmen können, darauf angewiesen, dass jeweils eine zugehörige Textalternative bereitgestellt wird. Dabei tritt ein sogenannter Alternativtext ergänzend an die Stelle der Bilddatei, um Zugang zu den dargestellten Inhalten zu ermöglichen.
Um solide, umfassende Orientierung zu gewährleisten und Irritationen möglichst zu vermeiden, sollte ausnahmslos jede Bilddatei gemäß Entscheidungsbaum der W3C Web Accessibility Initiative (WAI) ausgewertet und gemäß der Empfehlung mit einem Alternativtext versehen werden, insbesondere auch dann, wenn es sich z. B. “nur” um ein Werbebanner handelt.
Diesbezüglich kommt den Äußerungen im VISCH-Leitfaden allgemeine Gültigkeit zu:
Bei der Auswahl für Bilder und Abbildungen […] geht es also nicht um die Frage, ob diese übertragen werden sollen, sondern vielmehr darum, wie dies geschehen soll. Die Frage, welche Abbildungen „relevant“ oder „wichtig“ sind, sollte keinesfalls von den Übertragern des Buches […] entschieden werden. (blista, 2012, S.4)
Und bereits zuvor:
Grundsätzlich sollten alle […] Informationen […] in geeigneter Form zugänglich gemacht werden. (ebd.)
Dekorative visuelle Objekte ohne inhaltliche Bedeutung, die allein der Verzierung dienen, sowie Angaben in Kopf- und Fußzeilen in PDF-Dokumenten, die an anderer Stelle im PDF-Dokument enthalten sind, sollten explizit als Schmuckelemente gekennzeichnet werden. Eine weitere besondere Bedeutung kommt diesbezüglich den funktionalen Bilddateien zu. Vergleiche dazu auch den Abschnitt Allgemeine Anforderungen zur Barrierefreiheit von Dokumenten.
Anmerkungen
Permalink "Anmerkungen"- Außerdem müssen gemäß Kriterium 28-012 im Matterhorn-Protokoll auch Verlinkungen mit einer sogenannten Link Annotation versehen werden. Diese konkrete Anforderung ist automatisiert prüfbar, z. B. mit dem PDF Accessibility Checker (PAC). Im Sinnes eines Dokuments für alle sollte sich ein solcher Link-Alternativtext nicht grundlegend von dem visuell wahrnehmbaren Linktext unterscheiden. Weiterführend sei an dieser Stelle auf die vertiefenden Informationen verwiesen (siehe unten).
- Alternativtexte stellen eine Ergänzung zur jeweiligen Bilddatei (bzw. zur jeweiligen Verlinkung) dar. Die visuelle Gestaltung z. B. des PDF-Dokuments oder der Webseite etc. bleibt dadurch unverändert. Screenreader-Programme lesen zusätzlich zur Information, dass an einer bestimmten Stelle eine Bilddatei (bzw. eine Verlinkung) eingebunden ist, den für die Bilddatei (bzw. die Verlinkung) bereitgestellten zugehörigen Alternativtext aus. In geeigneten Programmen, wie z. B. der Screenreader-Vorschau von PAC, werden Alternativtexte insbesondere für Bilddateien auch visuell dargestellt.
Grundsätzliche Überlegungen
Permalink "Grundsätzliche Überlegungen"Beim Verfassen von Alternativtexten sollten die folgenden allgemeinen Kriterien zugrunde gelegt werden:
- möglichst ohne Redundanz,
- möglichst kurz,
- möglichst neutral,
- möglichst zutreffend,
- möglichst vollständig,
- möglichst einheitlich,
- möglichst systematisch.
Machen Sie sich am besten zunächst vertraut damit, wie die unterschiedlichen Elemente (Verlinkungen, Grafiken, etc.) von einem Screenreader-Programm bezeichnet werden, um Doppelungen im Alternativtext zu vermeiden. Die Herausforderung besteht darin, den dargestellten Inhalt ohne Redundanz mit wenigen Worten möglichst neutral und zutreffend zu beschreiben.
Dabei könnten durchaus - als solche gekennzeichnete - Vermutungen oder Vergleiche hinzugezogen werden. Beachten Sie jedoch, dass es sich bei Formulierungen wie “Das Wetter ist schön.” oder “Das Wetter ist schlecht.” oder “glückliche Menschen” oder auch “Urlaubsidylle” aus dem täglichen Sprachgebrauch um Interpretationen bzw. Bewertungen handelt, die es in Alternativtexten zu vermeiden gilt.
Vermeiden Sie außerdem die Wiederholung von Text, der bereits im Fließtext bzw. in der Bildunterschrift steht. Machen Sie sich dazu bewusst, wie zeitintensiv es ist, Text mit einem Screenreader-Programm abzuhören, nur um am Ende eines ggf. auch noch sehr langen Alternativtextes erkennen zu müssen, dass man lediglich identische Textpassagen erneut gehört und nichts Neues erfahren hat.
Wobei Alternativtexte allerdings wiederum auch nicht dazu genutzt werden sollten, um Inhalte unterzubringen, die aus der Bilddatei selbst nicht ersichtlich sind und auch im Text nicht erwähnt werden, wie beispielsweise die Berechnungsformel für einen statistischen Kennwert. Der Alternativtext darf keine Zusatzinformation enthalten, sondern stellt nur eine Alternative für die Grafik dar. Die Verwendung von Fachbegriffen hingegen ist im Hochschulkontext bzw. im wissenschaftlichen Kontext hilfreich und erforderlich.
Beschreibung statt Formatierung
Permalink "Beschreibung statt Formatierung"Beachten Sie darüber hinaus, dass es sich bei den einfachen Alternativtexten um rein linearen Text handelt, der nicht formatiert werden kann. Textauszeichnungen wie Hoch- bzw. Tiefstellungen, die insbesondere im naturwissenschaftlichen sowie mathematischen Kontext häufig benötigt werden, müssen ggf. entsprechend in einer unformatierten Formelschreibweise oder Sprechweise ausformuliert werden. Legen Sie dazu am besten vorab eine einheitliche Vorgehensweise fest.
Bei Formelzeichen, die zur Bezeichnung physikalischer Größen verwendet werden, kann ferner die Groß-/Kleinschreibung des Grundzeichens eine Rolle spielen. Beispielsweise steht “klein t” für die Zeit, “groß T” ggf. für die absolute Temperatur. Screenreader-Programme können so eingestellt werden, dass ein Großbuchstabe z. B. mittels Tonsignal kenntlich gemacht wird. Ist dies bei der jeweiligen Zielgruppe hinlänglich bekannt, so kann auf die Kennzeichnung „groß T“ im Alternativtext verzichtet werden. Auch beim Übertragen auf eine Braillezeile ist Groß-/Kleinschreibung unterscheidbar.
Anmerkungen
Permalink "Anmerkungen"Bei ausgelagerten Beschreibungen stehen Formatierungsmöglichkeiten wiederum in gewohntem Umfang zur Verfügung.
Systematischer Aufbau
Permalink "Systematischer Aufbau"Generell ist ein systematischer Aufbau, der sich auf das Wesentliche beschränkt, als Orientierungshilfe optimal. Mit einem einleitenden Schlagwort, wie z. B. „Foto“, „Illustration“, „Porträt“, „Screenshot“, „Logo“ etc., lässt sich das Wesen der jeweiligen Abbildung bereits möglichst zutreffend erfassen und kategorisieren. Damit ist eine erste Einordnung gegeben, die durch die sich anschließende spezifische Beschreibung konkretisiert wird.
Screenreader-Programme bieten die Funktionalität, dass durch einzelne Elementgruppen getabbt werden kann. Insbesondere in diesem Zusammenhang, d. h. beim Tabben von einer Bilddatei zur nächsten, könnte es sich als hilfreich erweisen, wenn die Nummerierung der Abbildung, falls vorhanden, zur optimalen Orientierung vorangestellt wird.
Andererseits besagt die Faustregel, dass Alternativtexte eine Länge von maximal 80 bis 100 Zeichen möglichst nicht überschreiten sollte. Die Angabe zur Nummerierung sowie das einleitende Schlagwort beanspruchen mithin bereits einen Großteil der insgesamt zur Verfügung stehenden Zeichen. Diesbezüglich gilt es, den Nutzen einer solchen Vorgehensweise im jeweiligen Kontext optimal abzuwägen.
Prüfungsaufgaben
Permalink "Prüfungsaufgaben"Damit Alternativtexte zu Abbildungen in Prüfungsaufgaben die Lösung nicht aufdecken, muss der Alternativtext so abgewandelt werden, dass die Aufgabe gleichwertig bleibt.
Anwendungsfälle im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich
Permalink "Anwendungsfälle im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich"Alternativtexte bei chemischen Strukturformeln und mathematischen Formeln
Permalink "Alternativtexte bei chemischen Strukturformeln und mathematischen Formeln"Es bietet sich an, bei chemischen Strukturformeln ChemFig-Code und bei mathematischen Formeln LaTeX-Code in den Alternativtext aufzunehmen. Dabei wäre je nach Zielgruppe auch eine Mischform denkbar, wie beispielsweise in der folgenden Formulierung:
Strukturformel von 2-Piperidin-1-ylethanol: \chemfig{*6(–N([:-30]-([:30]-([:-30]-OH)))—-)} (Ziemer, 2023b, S.15)
Die Bereitstellung von Alternativtexten in Klausuraufgaben stellt wiederum eine besondere Herausforderung dar. Diesbezüglich sei auf die alternative Umsetzungsmöglichkeit im vom Projekt iBoB herausgegebenen Praxisleitfaden zur Erstellung textbasierter Alternativen für Grafiken „Gut fürs Image!“ hingewiesen (vgl. Fibich et. al., 2019, S.30).
Vergleiche diesbezüglich auch den Abschnitt Hinweise zu mathematischen Darstellungen.
Alternativtexte bei komplexen Bilddateien
Permalink "Alternativtexte bei komplexen Bilddateien"Es ist empfehlenswert, komplexe Bilddateien in einem Beitrag bzw. in einer Beitragsreihe zunächst systematisch zu erfassen und zu kategorisieren. Im nächsten Schritt kann sodann insbesondere für Bilddateien zu statistischen Kennwerten eine Schablone für die Alternativtexte entwickelt werden. In der Ausformulierung sollten in geeigneter Weise der Grafiktyp sowie die Achsenbeschriftungen und ggf. weitere Charakteristika benannt werden, wie im nachstehend zitierten Beispiel “Diagrammtyp der Wertepaare für ‘Beschriftung x-Achse’ und ‘Beschriftung y-Achse’”:
Abbildung 2: Streudiagramm der Wertepaare für Naphthalin und der Summe aus 1- und 2-Naphthol im Urin mit Regressionsgerade und Bestimmtheitsmaß R hoch 2 0,720 (Ziemer, 2023b, S.14)
Dabei könnte außerdem die Skalierung der Achsen explizit benannt werden. Falls bei der Benennung die Reihenfolge erst x-Achse, dann y-Achse nicht eingehalten wird, ist es empfehlenswert, dies gesondert zu kennzeichnen, wie in dem folgenden Beispiel:
Line graph showing number of pauses from 0 to 350 on the Y axis against % of movement from 0 to 100 in increments of 5 on the X axis. (Trewin, 2019)
Bei Diagrammen z. B. mit Messwerten sollte zudem in Erwägung gezogen werden, im Anhang eine Wertetabelle bereitzustellen. Erst dann lässt sich objektiv erschließen, was genau in der Abbildung dargestellt wird und welcher Eintrag welcher Quelle bzw. welchem (Arbeits-)Bereich zuzuordnen ist.
Beim Bereitstellen von Alternativtexten von inhaltsschweren Bilddateien wird die in der Faustregel für die Länge eines Alternativtextes benannte Zeichenanzahl von 80 bis 100 Zeichen rasch überschritten werden.
Einen nächsten Schritt stellt die Bereitstellung von separaten Dateien für umfangreiche Bildbeschreibungen dar. Eine Bildbeschreibung führt im Allgemeinen vom Groben zum Feinen, wobei sich Grob- und Feinstrukturbeschreibung durchaus auch überlappen können. Beispiele für Bildbeschreibungen im schulischen Kontext finden sich z. B. im VISCH-Leitfaden der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. (blista).
Ausblick
Permalink "Ausblick"Dieser Abschnitt wird in den folgenden Versionen der Handreichung kontinuierlich erweitert werden.
Vertiefende Informationen
Permalink "Vertiefende Informationen"- Anja Ziemer. (2023a). Ruckzuck für alle: Barrierefreie PDF-Dokumente automatisiert erstellt am Beispiel der MAK Collection, ZB MED. o-bib. Das offene Bibliotheksjournal / Herausgeber VDB, 8(4), 1–12. https://doi.org/10.5282/o-bib/5978
- Präsentationsfolien zum Vortrag bei der 111. BiblioCon im barrierefreien PDF-Format
Anja Ziemer. (2023b). 111.BiblioCon2023 – Ruckzuck für alle: Barrierefreie PDFs automatisiert erstellt am Beispiel der MAK Collection - Praxisleitfaden zur Erstellung textbasierter Alternativen für Grafiken herausgegeben vom Projekt inklusive berufliche Bildung ohne Barrieren (iBoB)
Anja Fibich, Frauke Onken & Christian Axnick. (2019). Gut fürs Image! Praxisleitfaden zur Erstellung textbasierter Alternativen für Grafiken
Weiterführende Literatur mit mathematisch-naturwissenschaftlichem Kontext
Permalink "Weiterführende Literatur mit mathematisch-naturwissenschaftlichem Kontext"- VISCH-Leitfaden der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. (blista)
Deutsche Blindenstudienanstalt e.V. (blista). (2012). VISCH. Visualisierte Informationen in Schulbüchern zugänglich machen. Leitfaden mit Beispielen - Presseinformation zum Projekt “Math4VIP” am Zentrum für digitale Barrierefreiheit und Assistive Technologien des KIT (ACCESS@KIT)
ACCESS@KIT. (2023). Presseinformation 004/2023. https://www.kit.edu/kit/pi_2023_004_leichterer-zugang-zu-barrierefreien-materialien.php sowie https://www.informatik.kit.edu/11147_12945.php - Plattform des Kooperationsprojekts Math4VIP
(o. J.). Math4VIP - Poster zur Versprachlichung von Formeln der Technischen Universität Dresden
Wiebke Janßen & Gesche Pospiech. (2015a). Versprachlichung von Formeln - Tagungsbeitrag zur Versprachlichung von Formeln
Wiebke Janßen & Gesche Pospiech. (2015b). Versprachlichung von Formeln. Die Bedeutung von Formeln und ihre Vermittlung - Anleitung des Regionalen Rechenzentrums Erlangen (RRZE)
Gunther Heintzen. (2019). Mathematische Formeln vorlesen, erstellen und zugänglich machen - Author Guide to Writing Alt Text (PDF-Ausgabe)
Taylor & Francis Group. (2020a). Author Guide to Writing Alt Text - Author Guide to Writing Alt Text (HTML-Ausgabe)
Taylor & Francis Group. (2020b). Author Guide to Writing Alt Text - Beispiele zur Beschreibung von Line Graphs, Boxplot Charts, Screenshots, Flussdiagrammen sowie Fotos bei ACM SIGACCESS (Special Interest Group on Accessible Computing)
Shari Trewin. (2019). Describing Figures - Christin Engel & Jan Schmalfuß-Schwarz. (2024). ExcelViZ: Automated Generation of High-Level, Adaptable Scatterplot Descriptions Based on a User Study. HCI (15) 2024, 393–412. https://doi.org/10.1007/978-3-031-60884-1_27
Anleitungen zu Prüfschritten bzw. Prüfkriterien
Permalink "Anleitungen zu Prüfschritten bzw. Prüfkriterien"- Angaben zum Prüfschritt BITi 02.3.1 Inlinelevel Strukturelemente / Links im PDF-Prüfverfahren von BIT inklusiv
BIT inklusiv – Barrierefreie Informationstechnik für inklusives Arbeiten. (o. J.). BITi 02.3.1 Inlinelevel Strukturelemente / Links - Angaben zum Prüfschritt BITi 02.4.1.1 Grafiken / Alternativtexte im PDF-Prüfverfahren von BIT inklusiv
BIT inklusiv – Barrierefreie Informationstechnik für inklusives Arbeiten. (o. J.). BITi 02.4.1.1 Grafiken / Alternativtexte - Angaben zum Prüfschritt 1.1.1 Nicht-Text-Inhalte im BIT inklusiv BITV-Softwaretest
BIT inklusiv – Barrierefreie Informationstechnik für inklusives Arbeiten. (2021). BIT inklusiv BITV-Softwaretest. 1.1.1 Nicht-Text-Inhalte - W3C Web Accessibility Initiative (WAI) Entscheidungsbaum für Alternativtexte
W3C. (o. J.). An alt Decision Tree - Prüfkriterien für PDF/UA-Konformität (Matterhorn-Protocoll in der englischen Version von 2021)
PDF Association. (2021). Matterhorn Protocol - Prüfkriterien für PDF/UA-Konformität (Matterhorn-Protokoll in der deutschen Version vom 23.06.2016 im Auftrag von BIT inklusiv)
PDF Association. (2016). Matterhorn-Protokoll - Prüftool PDF Accessibility Checker (PAC) für alle maschinenprüfbaren Prüfkriterien
PDF Accessibility Checker (PAC)
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