Die digitale Barrierefreiheit wird durch internationale Standards, Gesetze und Richtlinien auf europäischer, Bundes- und Länderebene geregelt. Die im Folgenden beschriebenen Gesetze und Verordnungen gibt es sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Die Landesregelungen setzen wie die des Bundes die Vorgaben der EU-Richtlinie 2016/2102 um und sind deshalb in großen Teilen gleich. Dennoch gibt es Unterschiede. Hochschulen sind als öffentliche Stellen zur Einhaltung der Vorgaben zur digitalen Barrierefreiheit verpflichtet und müssen sich an die Gesetze und Verordnungen des Bundes bzw. jeweiligen Bundeslands halten.

Die nachfolgend beschriebenen gesetzlichen Grundlagen gelten für die Produktgruppen:

  • Webseiten
  • Client- und Webbasierte Anwendungen (Beispiele für Hochschulen: Lernmanagementsysteme, Campusmanagementsysteme)
  • APPs
  • Erzeugnisse aus digitalen Büroanwendungen (u. a. Office, Adobe)
  • Video- und Multimedia Inhalte

Die Behindertengleichstellungsgesetze (BGG) regeln auf Bundes- und Landesebene die Gleichstellung von Menschen mit Beeinträchtigungen im Bereich des öffentlichen Rechts. In den Gesetzen wird geregelt, für welche öffentlichen Stellen des Bundes bzw. Landes das BGG gilt. Darin enthalten sind auch Vorgaben zur barrierefreien Informationstechnik.

Die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) ergänzt das BGG auf Bundesebene. Für die Länder gilt die BITV 2.0 nicht unmittelbar, sondern nur und soweit im Landesrecht darauf verwiesen wird. Daneben haben die Länder auch eigene Verordnungen mit unterschiedlichen Bezeichnungen zur Umsetzung ihrer Landesbehindertengleichstellungsgesetze erlassen. Die Verordnungen gelten grundsätzlich für alle Webauftritte (Internet, Intranet und Extranet) und mobile Anwendungen (Apps) der öffentlichen Stellen des Bundes bzw. des jeweiligen Bundeslands. Die BITV 2.0 gilt darüber hinaus für weitere Sachverhalte, z. B. für elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe oder die elektronische Aktenführung. Die Verordnungen der Länder haben die Regelungen der BITV 2.0 im Wesentlichen übernommen, dennoch gibt es Unterschiede.

Das BGG sowie die BITV 2.0 verweisen auf die EU-Richtlinie 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen. Diese Richtlinie verpflichtet öffentliche Stellen von der Bundes- über die Landes- bis zur kommunalen Ebene zu barrierefreien Webangeboten. Die EU-Richtlinie finden Sie eu-lex.europa.eu.

Auch die Vergabegesetze verpflichten öffentliche Stellen zur Beachtung von Barrierefreiheit. Folgende Vorschriften sind für die Berücksichtigung der Barrierefreiheit bei der Vergabe von IT-Leistungen relevant:

  • § 12a Abs. 3 BGG (Berücksichtigung der Barrierefreiheit in jedem Stadium des Projekts/Verfahrens)
  • § 127 Abs. 1 S. 4 GWB (Berücksichtigung der Barrierefreiheit bei der Auswahlentscheidung)
  • § 11 Abs. 1 S. 3 VgV (Barrierefreiheit des Vergabeverfahrens selbst)
  • § 31 Absatz 5 VgV (Berücksichtigung der Barrierefreiheit bei der Leistungsbeschreibung)
  • § 58 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 VgV (Barrierefreiheit als Zuschlagskriterium)
  • § 17 Abs. 3 S. 2 UVgO (Barrierefreiheit des Vergabeverfahrens selbst)
  • § 43 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 UVgO (Barrierefreiheit als Zuschlagskriterium)

Herauszuheben ist der § 12a Abs. 3 BGG, der die Barrierefreiheit bereits bei der Planung, Entwicklung, Ausschreibung und Beschaffung bei Neuanschaffungen, Erweiterungen und Überarbeitungen fordert.

Für Beschaffungen mit einem geschätzten Auftragswert oberhalb der EU-Schwellenwerte ergibt sich diese Verpflichtung aus Paragraf 121 Absatz 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Ergänzend ist die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) zu beachten. Für Beschaffungen unterhalb des EU-Schwellenwertes, die allerdings die jeweilige Bundes- bzw. Bundesländer Wertegrenze für Aufträge für Liefer- und Dienstleistungsaufträge überschreiten, ergibt sich diese Verpflichtung aus Paragraf 23 Absatz 4 Unterschwellenvergabeordnung für den Bund und den Ländern aus den jeweiligen Landesregelungen. Paragraf 121 Absatz 2 GWB und Paragraf 23 Absatz 4 UVgO haben denselben Wortlaut. Danach sind jeweils

„bei der Beschaffung von Leistungen, die zur Nutzung durch natürliche Personen vorgesehen sind, (…) bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung, außer in ordnungsgemäß begründeten Fällen die Zugänglichkeitskriterien für Menschen mit Beeinträchtigungen oder die Konzeption für alle Nutzer zu berücksichtigen.“

Die in der Verordnung genannten „Zugänglichkeitskriterien für Menschen mit Beeinträchtigungen“ sind unter anderem in der BITV 2.0 geregelt und zu den Konzepten für alle Nutzenden zählt das Universelle Design bzw. das Design für alle.

Weitere Vereinbarungen, Verordnungen und Gesetze

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Darüber hinaus gelten zudem die jeweiligen Inklusionsvereinbarungen z. B. die Aktionspläne zur Inklusion der Hochschulen sowie Landesrichtlinien, -verordnungen und -erlasse, wie zum Beispiel in NRW die Richtlinie zur Durchführung der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (SGB IX) im öffentlichen Dienst.

In Landes- und Bundesgesetzen etwa in den Landespersonalvertretungsgesetzen (LPVG) und im Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) oder dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) sind Mitbestimmungs- und Beteiligungspflichten von Personalräten, Schwerbehindertenvertretungen und Inklusionsbeauftragten der Arbeitgeber geregelt.

Als europäischer Maßstab für Barrierefreiheit gilt die harmonisierte europäische Norm EN 301 549 mit dem Titel „Accessibility requirements for ICT products and services“. Ihre Kriterien spezifizieren die Bedeutung von Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit gemäß EU-Richtlinie 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Webseiten inkl. Dokumente und mobile Anwendungen öffentlicher Stellen. Die EN 301 549 ist nicht unmittelbar verbindlich. Gemäß § 3 Absatz 2 BITV 2.0 wird aber vermutet, dass Angebote, Anwendungen oder Dienste der Informationstechnik barrierefrei sind, wenn sie den Anforderungen dieser Norm oder Teilen davon entsprechen. Berechtigte Organisationen oder Behörden und Personen können nach der Registrierung die EN 301 549 in deutscher Sprachfassung beim nachfolgenden Link herunterladen: Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik - Anmeldung zum geschützten Bereich (bfit-bund.de)

Auch die BITV 2.0 des Bundes und der Länder verweisen auf die europäische Norm. In Abschnitt 10 finden sich zudem auch die Anforderungen an sogenannte „Nicht-Web-Dokumente“ wie zum Beispiel Word- oder PDF Dateien. Weitere Informationen finden Sie unter barrierefreiheit-dienstekonsolidierung.bund.de

Die Norm DIN ISO 14289-1:2016-12 (PDF/UA) beschreibt, neben dem PDF-Standard ISO 32000-1 ergänzende Anforderungen an PDF-Dokumente. Die DIN ISO 14289 ist nicht unmittelbar verbindlich. Gemäß § 3 Absatz 3 BITV 2.0 sind allerdings Nutzeranforderungen oder Teile von Angeboten, Diensten oder Anwendungen, die nicht von der EN 301 549 abgedeckt sind, nach dem Stand der Technik barrierefrei zu gestalten. Die DIN ISO 14289 stellt aktuell (August 2023) den Stand der Technik für PDF dar

Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) bilden den internationalen Standard zur barrierefreien Gestaltung von Internetangeboten in unterschiedlichen Konformitätsstufen (A, AA und AAA). Weitere Informationen unter w3.org (in englischer Sprache). Unter dem nachfolgendem Link ist die inoffizielle Übersetzung der WCAG 2.1 in deutscher Sprache erhältlich. Die WCAG sind nicht unmittelbar verbindlich. In der EN 301 549 wird aber auf sie, bezüglich ihrer Konformitätsstufe AA, verwiesen.

In der Norm DIN EN **ISO 9241-**110 mit dem Titel „Interaction Principles“ auf Deutsch „Interaktionsprinzipien“ (bisher: Grundsätze der Dialoggestaltung) sind die Gestaltungsrichtlinien für Benutzungsschnittstellen aufgeführt. Die Interaktionsprinzipien sind Aufgabenangemessenheit, Selbstbeschreibungsfähigkeit, Erwartungskonformität, Erlernbarkeit, Steuerbarkeit, Robustheit gegen Benutzerfehler und Benutzerbindung. Die Normreihe DIN EN ISO 9241 ist nicht verbindlich. Auch hier bilden aber einzelne Teile der Normreihe den Stand der Technik gemäß § 3 Abs. 3 BITV 2.0 ab, z. B. die DIN EN ISO 9241-171. Gemäß § 3 Absatz 4 BITV 2.0 soll ferner für zentrale Navigations- und Einstiegsangebote sowie Angebote, die eine Nutzeraktion ermöglichen, wie z. B. Formulare und die Durchführung von Authentifizierungs-, Identifizierungs- und Zahlungsprozessen, ein höchstmögliches Maß an Barrierefreiheit angestrebt werden. Hierzu zählen die Regelungen der DIN EN ISO 9241.

Für einzelne Typen von Anwendungen gelten zudem spezielle Normen:

  • Software: DIN EN ISO 9241-161 Clientbasierte Software und Betriebssysteme und DIN EN ISO 9241-171 Leitlinien für die Zugänglichkeit von Software
  • Bereitstellungen von Informationen in Deutscher Gebärdensprache und Leichter Sprache: BITV des Bundes Anlage 2

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