Im Vergabeprozess für die Beschaffung von barrierefreier Software und Anwendungen fallen für unterschiedliche Organisationseinheiten der öffentlichen Stellen Aufgaben an, hier verdeutlicht am Beispiel der Hochschulen. Diese lassen sich in vier Schritte gliedern.

Öffentliche Stellen sollten sich intern auf eine Strategie einigen, die in alle Phasen des Vergabeprozesses hineinwirkt und deren Vorgaben entsprechend berücksichtigt werden. Der strategische Leitfaden sollte verpflichtend für alle Bereiche gelten.

Strategie-Baustein: Vergabekriterien in der Ausschreibung und bei der Leistungsbewertung

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Wie im Abschnitt Vergabegesetze verdeutlicht, verpflichtet das Vergaberecht öffentliche Stellen dazu, Barrierefreiheit im Beschaffungsprozess zu beachten. Barrierefreiheit muss also als verbindliches Kriterium in allen Ausschreibungen und im Leistungsprozess verankert werden.

Strategie-Baustein: Entscheidungsprozess

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  • Entwickeln Sie eine Strategie für die Beteiligungsverfahren: Wie werden etwa die Personalräte, Schwerbehindertenvertretungen und Inklusionsbeauftragte darin eingebunden?
  • Führen Sie Testungen der Software als beschaffende Stelle selbst durch, im Idealfall mit Personengruppen mit eigener Beeinträchtigungserfahrung.
  • Achten Sie auf eine saubere Dokumentation des Entscheidungsprozesses.

Strategie-Baustein: Rechercheerfahrung

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Bei kleineren Vergaben: Holen Sie Angebote bei Firmen ein, die sich explizit mit der Thematik der digitalen Barrierefreiheit auskennen. Recherchieren Sie dafür, welche Unternehmen Leistungen zur Barrierefreiheit anbieten und eine umfangreiche Expertise aufweisen.

2. Schritt: Vergabeunterlagen

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Achten Sie als öffentliche Stelle sorgfältig darauf, dass in der Leistungsbeschreibung alle erforderlichen Anforderungen an die Barrierefreiheit aufgeführt und ggf. detailliert beschrieben werden.

Der Vergabebaustein sollte enthalten:

  • Empfehlungen für Standard-Formulierungen in Ausschreibungsunterlagen
  • Eine Auflistung der Mindestbestandteile von Leistungsmerkmalen
  • Eine Übersicht der allgemeinen Anforderung in Bezug auf Gesetze, Richtlinien und Normen
  • Mögliche maßnahmenspezifische Anforderungen
  • Die geforderten Nachweise zur Barrierefreiheit durch die Unternehmen
  • Einen Passus zur Erfüllung der Anforderungen über die gesamte Vertragslaufzeit inkl. beispielsweise Updates.

Die Unternehmen, die im Vergabeprozess in Betracht kommen, sollten:

  • … die Implementierung eines Barrierefreiheitskonzepts bei der Produktentwicklung sowie eine konkrete Ansprechperson bzw. konkrete Ansprechpersonen für die digitale Barrierefreiheit vorweisen.
  • … die Barrierefreiheit des Produkts durch ein Gutachten nachweisen. Im Idealfall erstellt die Firma das Gutachten prozessbegleitend. Das Gutachten sollte von einer dritten Stelle erstellt werden.
  • … sich bei vorhandenen Barrieren verpflichten, einen Maßnahmenplan zu erstellen und Nachbesserungen auf eigene Kosten durchzuführen.

3. Schritt: Leistungsabnahme

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Webseiten müssen eine Erklärung zur Barrierefreiheit aufweisen, die Auskunft über den genauen Stand zur Erfüllung der Barrierefreiheit gibt. Die Erklärung sollte von dem für die Erstellung der Webseite zuständigen Auftragnehmer erstellt werden. Das für die öffentlichen Stellen des Bundes verbindliche Muster finden Sie im Download-Bereich der BFIT-Bund.

Einzelne Länder stellen eigene Vorlagen zur Verfügung. Hier einige Beispiele:

1. Zusätzlich muss eine interne Kompetenzstelle für digitale Barrierefreiheit eine Prüfung der wichtigsten Kriterien vornehmen, Aufbau von Unterstützungsstrukturen 2. In der Erklärung zur Barrierefreiheit muss eine Feedbackmöglichkeit zur Verfügung gestellt werden. Dies dient als weiterer Kontrollmechanismus für die Barrierefreiheit der Webseite. 3. Weist die Website – auch nach der technischen Abnahme – weiterhin Barrieren auf, ist der Auftragnehmer vertraglich bzw. gesetzlich verpflichtet, diese ohne weitere Kosten für den Auftraggeber, z. B. die Hochschule, zu beseitigen.

Software (web -und clientbasiert)

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1. Gutachten: Vertrauen Sie nicht einfach auf selbsterstellte Gutachten der Softwareunternehmen. Diese geben oftmals gar nicht oder nur lückenhaft den tatsächlichen Stand der Barrierefreiheit wieder. Im Idealfall hat die in Betracht kommende Firma bereits ein externes Gutachten erstellen lassen. Je nach Umfang und Größe des Nutzerkreises des Produkts sollte es durch eine interne Kompetenzstelle geprüft werden, siehe Empfehlungen zum Aufbau von Unterstützungsstrukturen. Neben den technischen Überprüfungen der Barrierefreiheit sind Nutzungstests mit Personen mit Beeinträchtigungen wichtig, die selbstverständlich vergütet werden sollten. 2. Maßnahmenplan: Weist die Software nicht zu vernachlässigende Barrieren auf, muss ein Maßnahmenplan in Zusammenarbeit mit den Auftragnehmern oder Herstellern erstellt werden. Dieser Plan sollte vor allem festlegen, wann welche Barrieren beseitigt werden. Nach der Beseitigung aller bis dato bekannten Probleme, sollte ein neues Gutachten bzw. eine erneute Prüfung vollzogen werden. 3. Alternativ-Prozess: Für Software, die für die Erledigung der Aufgaben der öffentlichen Stelle notwendig, aber nicht barrierefrei verfügbar ist, muss die öffentliche Stelle eine Alternative zur Verfügung stellen. 4. Updates: Lassen Sie sich vertraglich zusichern, dass das der Auftragnehmer vor dem Rollout von Updates diese in Hinblick auf die Auswirkungen zur Barrierefreiheit überprüft. Die digitale Barrierefreiheit muss in allen relevanten Produktionsschritten berücksichtigt werden.

Nach Vergabe und Projektabschluss sollten Sie eine Evaluation erstellen. Die Ergebnisse der Evaluation sollten bei einer Vertragsverlängerung berücksichtigt werden.

Maßgeblich sollten die folgenden Fragen beantwortet werden:

  • Wurde der Maßnahmenplan wie besprochen umgesetzt?
  • Funktionieren die alternativen Prozesse?
  • Werden bei Updates die Auswirkungen auf die Barrierefreiheit überprüft?
  • PEAT: Buy it. US-amerikanischer Leitfaden für die Anschaffung barrierefreier IT (englische Webseite)
  • Lexikon auf dem Portal zu IT-Barrierefreiheit mit verständlichen Erklärungen zur digitalen Barrierefreiheit, das Portal wurde vom Bundesministerium des Innern und für Heimat gemeinsam mit der Hessischen Landesbeauftragten für barrierefreie IT, Frau Professor Dr. Meyer zu Bexten, und der Koordinierenden Stelle Barrierefreiheit beim Informationstechnikzentrum Bund entwickelt.

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