Die Leistungsbeschreibung gehört zum Kernbereich der Ausschreibungs- und Vergabeunterlagen, da hier die Anforderungen an den Leistungsgegenstand festgelegt werden. Anforderungen an die Barrierefreiheit, die eine IT-Lösung aufgrund der gesetzlichen Vorgaben oder aufgrund von zusätzlichen Vorgaben des Auftraggebers in jedem Fall erfüllen muss, müssen in der Leistungsbeschreibung klar und eindeutig benannt werden. Sie sind als Ausschlusskriterien (A-Kriterien) zu formulieren, da nur so ihre Einhaltung rechtlich verbindlich festgelegt wird. Um die Verwirklichung von Barrierefreiheit sicherzustellen, sollte die Leistungsbeschreibung hierzu nicht nur Anforderungen an den Leistungsgegenstand (die ausgeschriebene IT-Lösung) enthalten. Zu formulieren sind auch Anforderungen an den Entwicklungsprozess und die Dokumentation.
Zusätzlich zu A-Kriterien können weitere Gesichtspunkte zur Barrierefreiheit, die darüber hinausgehen, in der Leistungsbeschreibung im Rahmen von Bewertungskriterien (B-Kriterien) berücksichtigt werden (§ 127 Abs. 1 Satz 4 GWB, § 58 Abs. 2 Nr. 1 VgV). Ein Bieter, der bei den Bewertungskriterien gut abschneidet, kann hierdurch seine Chancen auf den Zuschlag erhöhen. Die zusätzliche Berücksichtigung der Barrierefreiheit in der Leistungsbeschreibung im Rahmen von B-Kriterien ist daher ein wichtiges Instrument, um auch hinsichtlich der Barrierefreiheit einen Wettbewerb um die beste Lösung zu erreichen. Bewertungskriterien zur Barrierefreiheit können sich sowohl auf zusätzliche Anforderungen an den Ausschreibungsgegenstand als auch auf den Entwicklungsprozess beziehen.
3.1 Anforderungen an das Produkt
Permalink "3.1 Anforderungen an das Produkt"In der Leistungsbeschreibung sind die zur Herstellung von Barrierefreiheit zu beachtenden Anforderungen vollständig und ausführlich zu beschreiben (vgl. § 121 Abs. 1 GWB: „so eindeutig und erschöpfend wie möglich“). Dies kann in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen, durch Bezugnahme auf technische Spezifikationen oder als Kombination davon erfolgen. Hierzu kann auf die in internationalen Standards aufgeführten Anforderungen zur Barrierefreiheit Bezug genommen werden. Aus der Leistungsbeschreibung muss klar und eindeutig hervorgehen, welche der in Bezug genommenen Anforderungen zur Barrierefreiheit von dem Auftragnehmer einzuhalten sind. Darüber hinaus können in der Leistungsbeschreibung weitere Anforderungen zur Barrierefreiheit festgelegt werden, die von dem Auftragnehmer ebenfalls einzuhalten sind.
3.1.1 Standards zur Barrierefreiheit
Permalink "3.1.1 Standards zur Barrierefreiheit"Zielsetzung
Permalink "Zielsetzung"Der europäische Standard EN 301 549 formuliert Anforderungen an die Barrierefreiheit von Hardware (Abschnitt 8), Websites (Abschnitt 9), elektronischen Dokumenten (Abschnitt 10) und Software (Abschnitt 11), die durch Anforderungen in den übrigen Abschnitten des Standards ergänzt werden. In seinem Annex A listet er in Tabelle A.1 für Websites (Internet, Intranet und Extranet) und in Tabelle A.2 für mobile Anwendungen (Software) die Anforderungen zur Barrierefreiheit auf, die nach den Vorgaben der EU mindestens einzuhalten sind. Weitere Anforderungen für Websites ergeben sich aus den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), den Authoring Tool Accessibility Guidelines (ATAG) und den WAI Accessible Rich Internet Applications (WAI-ARIA). Zur barrierefreien Gestaltung zu beachten sind außerdem die in den DIN EN ISO 9241-171 formulierten „Leitlinien für die Zugänglichkeit von Software“ und der PDF/UA-Standard DIN ISO 14289-1.
Abhängig von der Art des Auftragsgegenstandes ergeben sich daraus unterschiedliche Anforderungen an die Formulierung der Leistungsbeschreibung. Content-Management-Systeme (CMS) und Autorenwerkzeuge für Webinhalte müssen die Einhaltung der Kriterien der WCAG ermöglichen und unterstützen. Hier sind daher neben den Anforderungen aus der EN 301 549 auch die WCAG und die ATAG zu beachten. Für Software, die dazu bestimmt und geeignet ist, den Inhalt von PDF-Dokumenten wiederzugeben, ist sicherzustellen, dass neben den Anforderungen aus der EN 301 549 auch die Anforderungen aus Abschnitt 8 der DIN ISO 14289-1 (PDF/UA-Standard) eingehalten werden, da Screenreader ansonsten nicht auf den Inhalt der Dokumente zugreifen können. Bei Verfahren zur elektronischen Vorgangsbearbeitung mit einer Textverarbeitung ist dafür zu sorgen, dass auch die zu erstellenden elektronischen Dokumente barrierefrei umgesetzt werden (EN 301 549, Abschnitt 10 und Abschnitt 11.8). Bei Verfahren zum ersetzenden Scannen ist darauf zu achten, dass automatisiert eine Texterkennung (OCR) erfolgt und dabei auch die zur Barrierefreiheit erforderlichen Strukturinformationen (vgl. DIN ISO 14289-1, Abschnitt 7) durch eine Layout-Erkennung mitgeliefert werden. Außerdem müssen in allen Fällen auch die Hilfe-Funktionen und Benutzerhandbücher barrierefrei zugänglich und nutzbar sein (EN 301 549, Abschnitt 12, und DIN EN ISO 9241-171, Abschnitt 11).
Für die Erstellung der Ausschreibungs- und Vergabeunterlagen ist daher stets sorgfältig zu prüfen, welche Anforderungen zur Verwirklichung von Barrierefreiheit des jeweiligen Ausschreibungsgegenstandes in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen sind.
Formulierungsvorschlag (A-Kriterium)
Permalink "Formulierungsvorschlag (A-Kriterium)"Anpassungsmöglichkeiten
Permalink "Anpassungsmöglichkeiten"Die Auflistung der einzuhaltenden Anforderungen an die Barrierefreiheit ist bezogen auf den jeweiligen Ausschreibungsgegenstand zu ergänzen oder anzupassen. Nicht ausreichend ist es, zur Festlegung der Anforderungen an die Barrierefreiheit in der Leistungsbeschreibung lediglich auf § 3 der BITV 2.0 zu verweisen, da dieser Verweis nicht hinreichend bestimmt ist. Falsch wäre es, zur Festlegung der einzuhaltenden Anforderungen an die Barrierefreiheit in der Leistungsbeschreibung (ausschließlich) die WCAG zu nennen, da wesentliche Anforderungen an die Barrierefreiheit von IT-Lösungen beispielsweise zur Interoperabilität mit assistiven Technologien (siehe EN 301 549, Abschnitt 11.5 und DIN EN ISO 9241-171, Abschnitt 8.5) in den WCAG fehlen.
Durch die WCAG 2.2 vom Oktober 2023 wurden die WCAG um weitere Erfolgskriterien mit den Konformitätsstufen A und AA ergänzt, die in dem europäischen Standard EN 301 549 bisher noch fehlen (https://www.w3.org/TR/WCAG22/#new-features-in-wcag-2-2 ). Sinnvoll ist es, auch diese Anforderungen schon jetzt in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen.
3.1.2 Bedarfe unterschiedlicher Nutzergruppen
Permalink "3.1.2 Bedarfe unterschiedlicher Nutzergruppen"Zielsetzung
Permalink "Zielsetzung"Weitere Anforderungen an die Barrierefreiheit, die in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen sind, können sich daraus ergeben, dass Anforderungen der potenziellen Nutzergruppen durch die einzuhaltenden technischen Standards bisher nicht oder nur unzureichend berücksichtigt werden. Zu den potenziellen Nutzergruppen und deren funktionellen Einschränkungen, für die Barrierefreiheit herzustellen ist, listet die EN 301 549 insbesondere die folgenden Nutzungsarten auf:
- Nutzung ohne Sehvermögen
- Nutzung mit eingeschränktem Sehvermögen
- Nutzung ohne Farbwahrnehmung
- Nutzung ohne Hörvermögen
- Nutzung mit eingeschränktem Hörvermögen
- Nutzung ohne oder mit eingeschränktem Sprachvermögen
- Nutzung mit eingeschränkter Handhabung oder Kraft
- Nutzung mit eingeschränkter Reichweite
- Nutzung ohne Risiko epileptischer Anfälle bei Photosensitivität
- Nutzung mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten
Vor der Erstellung der Leistungsbeschreibung ist daher zu prüfen, ob sich hieraus weitere Anforderungen an die Barrierefreiheit ergeben, die in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen sind (§ 3 Abs. 3 BITV 2.0).
Der folgende Formulierungsvorschlag ist ein Beispiel für eine Anforderung, die sich auf Menschen mit Farbfehlsichtigkeit bezieht.
Formulierungsvorschlag (A-Kriterium)
Permalink "Formulierungsvorschlag (A-Kriterium)"Anpassungsmöglichkeiten
Permalink "Anpassungsmöglichkeiten"Je nach Art der ausgeschriebenen IT-Lösung und dem Kreis der möglichen Nutzer kann es geboten sein, weitere Nutzeranforderungen in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen. Außerdem kann es sinnvoll sein, die Leistungsbeschreibung um folgende Formulierung zu ergänzen: „Soweit Teile der ausgeschriebenen IT-Lösung oder Nutzeranforderungen durch die in der Leistungsbeschreibung aufgeführten Anforderungen zur Barrierefreiheit nicht abgedeckt sind, ist die Barrierefreiheit nach dem Stand der Technik zu verwirklichen.“
3.1.3 Optimierung der Barrierefreiheit
Permalink "3.1.3 Optimierung der Barrierefreiheit"Zielsetzung
Permalink "Zielsetzung"Für zentrale Navigations- und Einstiegsangebote sowie Angebote, die eine Nutzerinteraktion ermöglichen, besteht nach § 3 Abs. 4 BITV 2.0 die Verpflichtung, in der Regel ein höheres Maß an Barrierefreiheit anzustreben. Zu den Angeboten, die eine beidseitige Nutzerinteraktion ermöglichen, gehören insbesondere das Ausfüllen von Formularen sowie die Durchführung von Authentifizierungs-, Identifizierungs- und Zahlungsprozessen (§ 3 Abs. 4 BITV 2.0). Den öffentlichen Auftraggeber trifft insoweit die Pflicht, vor einer Ausschreibung zu prüfen, wie sich die Barrierefreiheit über die Einhaltung der rechtlich verbindlichen Standards hinaus für den Ausschreibungsgegenstand verbessern lässt. Hierzu kann es zum einen geboten sein, weitere Anforderungen an die Barrierefreiheit, die in dem europäischen Standard EN 301 549 bisher nicht verbindlich aufgelistet werden, wie beispielsweise die Erfolgskriterien der WCAG mit der Konformitätsstufe AAA, ebenfalls in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen. Zum anderen kann es geboten sein, in die Leistungsbeschreibung Anforderungen zur Usability und Nutzerfreundlichkeit aufzunehmen, die sicherstellen sollen, dass sich die ausgeschriebene IT-Lösung beispielsweise auch von blinden Nutzenden mit einem Screenreader (mit Braillezeile und Sprachausgabe) effizient und effektiv nutzen lässt.
Es folgen drei Formulierungsvorschläge, die beide eingefügt werden können.
Formulierungsvorschlag 1: Tastaturkonzept (A-Kriterium)
Permalink "Formulierungsvorschlag 1: Tastaturkonzept (A-Kriterium)"Da die IT-Lösung (außer mit der Maus) auch vollständig mit Tastaturbefehlen bedienbar sein muss, ist der Auftragnehmer verpflichtet, für die IT-Lösung ein Tastaturkonzept zu erstellen und umzusetzen, das die folgenden Voraussetzungen erfüllt:
- Alle Bedienelemente und Schaltflächen lassen sich grundsätzlich über die Tabulator-Taste oder die Pfeil-Tasten erreichen.
- Es gibt eine Bereichsnavigation (z. B. zum Menüband und zurück), die einen schnellen Wechsel zwischen verschiedenen Bereichen der IT-Lösung ermöglicht.
- Für die Schnell-Navigation sind Short-Cuts vorhanden.
- Tastaturkonflikte mit assistiven Technologien werden vermieden.
- In den Benutzereinstellungen können die Tastaturbelegungen für Short-Cuts geändert werden.
- Die Tastaturbefehle werden in der Hilfe-Funktion und den Benutzerhandbüchern vollständig dokumentiert.
Das Tastaturkonzept muss eine effektive und effiziente Bedienung der IT-Lösung ermöglichen. Die Tastaturkonventionen des Betriebssystems oder der Plattform werden, soweit möglich, übernommen und dürfen nicht überschrieben werden. Bedienfunktionen, die mit der Maus möglich sind, müssen auch mit der Tastatur möglich sein.
Anpassungsmöglichkeiten
Permalink "Anpassungsmöglichkeiten"Der Formulierungsvorschlag zur Tastaturbedienbarkeit ist nur ein Beispiel – neben weiteren Maßnahmen – für die Verwirklichung größtmöglicher Barrierefreiheit. Der Formulierungsvorschlag ist je nach Auftragsgegenstand anzupassen oder zu ergänzen.
Formulierungsvorschlag 2: WCAG-AAA (A-Kriterium)
Permalink "Formulierungsvorschlag 2: WCAG-AAA (A-Kriterium)"Um ein höchstmögliches Maß (§ 3 Abs. 4 BITV 2.0) an Barrierefreiheit zu ermöglichen, müssen folgende Anforderungen umgesetzt werden:
- [Liste der zusätzlich umzusetzenden Anforderungen an Barrierefreiheit hier einfügen, vgl. Anpassungsmöglichkeiten]
Anpassungsmöglichkeiten
Permalink "Anpassungsmöglichkeiten"Durch den Auftraggeber ist zu prüfen, ob und welche Bestandteile der geplanten IT-Lösung ein höheres Maß an Barrierefreiheit erfüllen sollen. Ein höheres Maß an Barrierefreiheit lässt sich z. B. dadurch erreichen, dass zusätzlich zu den gesetzlichen Verpflichtungen weitere Anforderungen zur Barrierefreiheit in die Leistungsbeschreibung aufgenommen werden, die sich aus internationalen Standards und Richtlinien ergeben oder durch den Auftraggeber formuliert werden. Hierzu gehören beispielsweise die Erfolgskriterien der WCAG mit der Konformitätsstufe AAA, die in den EN 301 549 in Abschnitt 9.5 lediglich als fakultativ aufgelistet werden. Aus der Begründung zur BITV 2.0 ergibt sich, dass diese Anforderungen in der Regel für Nutzerinteraktionen ebenfalls eingehalten werden sollen (Bundesanzeiger 29.05.2019 B1, Seite 5). Da die IT an den Arbeitsplätzen der Beschäftigten stets eine Nutzerinteraktion ermöglicht, ist in der Leistungsbeschreibung auch festzulegen, ob und welche Erfolgskriterien der WCAG mit der Konformitätsstufe AAA von dem Auftragnehmer ebenfalls einzuhalten sind.
Auch aus anderen Standards und Richtlinien (z. B. DIN EN ISO 9241-110, DIN EN ISO 9241-112, DIN EN ISO 9241-125) können sich weitere Anforderungen ergeben, deren Übernahme zur Verbesserung der Barrierefreiheit dienlich sind.
Formulierungsvorschlag 3: WCAG-AAA (B-Kriterium)
Permalink "Formulierungsvorschlag 3: WCAG-AAA (B-Kriterium)"Die Erfolgskriterien der WCAG mit der Konformitätsstufe AAA werden in dem europäischen Standard EN 301 549 in Abschnitt 9.5 als fakultativ aufgelistet. Sie gehen über den Standard EN 301 549 hinaus und ermöglichen es, ein höheres Maß an Barrierefreiheit zu verwirklichen. Stellen Sie dar, welche der nachfolgend aufgelisteten Anforderungen zur Barrierefreiheit von Ihnen bei einer Zuschlagserteilung in der ausgeschriebenen IT-Lösung ebenfalls umgesetzt werden und für welche Bereiche der IT-Lösung dies der Fall sein wird.
- [Auflistung der Anforderungen]
Bewertungsvorschlag
Permalink "Bewertungsvorschlag"Nehmen Sie in das Bewertungskriterium auf, für welche der in der EN 301 549 genannten Erfolgskriterien der WCAG mit der Konformitätsstufe AAA ein Bieter Punkte erhalten soll, wenn er deren Verwirklichung in der IT-Lösung zusagt.
Für jedes der angegebenen Kriterien gibt es bei Erfüllung einen Punkt, wenn dieses Kriterium bei allen Angeboten, die eine Nutzerinteraktion ermöglichen, wie beispielsweise das Ausfüllen von Formularfeldern oder die Durchführung von Authentifizierungs-, Identifizierungs- oder Zahlungsprozessen, durchgängig eingehalten wird. Zwei Punkte gibt es, wenn dieses Erfolgskriterium in der gesamten IT-Lösung durchgängig eingehalten wird.
Anpassungsmöglichkeiten
Permalink "Anpassungsmöglichkeiten"Die Berücksichtigung von Anforderungen zur Barrierefreiheit im Rahmen von Bewertungskriterien bietet sich an für alle Anforderungen, die nicht schon als A-Kriterien in der Leistungsbeschreibung enthalten sind. Hierdurch kann den Bietern aufgegeben werden, in ihrem Angebot eigene Vorschläge zu machen, wie die Barrierefreiheit der ausgeschriebenen IT-Lösung zusätzlich verbessert werden kann. Auf diese Weise erhöht ein Bieter seine Chancen bei der Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Angeboten. Erhält er den Zuschlag, ist er verpflichtet, die von ihm zugesagten Anforderungen zur Barrierefreiheit ebenfalls umzusetzen.
Als B-Kriterien berücksichtigt werden können (nur) Anforderungen, die in der Leistungsbeschreibung nicht schon als A-Kriterien enthalten sind. Werden einige Erfolgskriterien der WCAG mit der Konformitätsstufe AAA in der Leistungsbeschreibung verbindlich als A-Kriterien festgelegt, können nur noch die übrigen Erfolgskriterien mit der Konformitätsstufe AAA im Rahmen eines Bewertungskriteriums berücksichtigt werden.
Auch aus anderen Standards und Richtlinien (z. B. DIN EN ISO 9241-110, DIN EN ISO 9241-112, DIN EN ISO 9241-125) können sich weitere Anforderungen ergeben, deren Übernahme zur Verbesserung der Barrierefreiheit dienlich sind.
3.1.4 Barrierefreiheit von Dokumenten
Permalink "3.1.4 Barrierefreiheit von Dokumenten"Elektronische Dokumente müssen so erstellt oder erzeugt werden, dass sie barrierefrei sind. Hierzu müssen die Anforderungen aus Abschnitt 10 der EN 301 549 zur Barrierefreiheit von Dokumenten eingehalten werden. Dokumente im Format PDF müssen zusätzlich die Anforderungen aus der DIN ISO 14289-1 (PDF/UA-Standard) einhalten.
Eingesetzte Formatwandler müssen zugleich sicherstellen, dass vorhandene Informationen zur Barrierefreiheit beim Umwandlungsprozess erhalten bleiben und die Barrierefreiheit nicht verloren geht. Diese Anforderungen sind auch dann zu beachten, wenn die Konvertierung von PDF zu PDF erfolgt.
3.1.4.1 Erstellung von Dokumenten
Permalink "3.1.4.1 Erstellung von Dokumenten"Zielsetzung
Permalink "Zielsetzung"Für IT-Lösungen, die dazu bestimmt und geeignet sind, elektronische Dokumente (z. B. im Wege einer Textverarbeitung) zu erstellen, ist sicherzustellen, dass auch die so erzeugten elektronischen Dokumente die Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllen.
a) Formulierungsvorschlag (A-Kriterium)
Alle von der IT-Lösung erstellten Dokumente müssen den Anforderungen der EN 301 549, Abschnitt 10 (Nicht-Web-Dokumente) entsprechen.
Soweit es sich um von der IT-Lösung erzeugte PDF-Dokumente handelt, müssen diese außerdem dem PDF/UA-Standard gemäß DIN ISO 14289-1 entsprechen.
Anpassungsmöglichkeiten
Permalink "Anpassungsmöglichkeiten"Außerdem ist für den Fall der Langzeitarchivierung sicherzustellen, dass Dokumente im Format PDF neben den Anforderungen aus dem Standard DIN ISO 19005-2a oder DIN ISO 19005-3a auch die Anforderungen an die Barrierefreiheit (DIN ISO 14289-1 und Abschnitt 10 der EN 301 549) erfüllen.
3.1.4.2 Ersetzendes Scannen
Permalink "3.1.4.2 Ersetzendes Scannen"Zielsetzung
Permalink "Zielsetzung"Zur Barrierefreiheit gehört auch, dass elektronische Dokumente, die im Wege des ersetzenden Scannens aus Papierdokumenten erstellt werden, für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen mit assistiven Technologien zugänglich und lesbar sein müssen.
Formulierungsvorschlag (A-Kriterium)
Permalink "Formulierungsvorschlag (A-Kriterium)"Elektronische Dokumente, die im Wege des ersetzenden Scannens (z. B. nach der TR-RESISCAN) in die elektronische Akte übernommen werden, müssen auch für blinde und sehbeeinträchtigte Nutzer mit assistiven Technologien barrierefrei zugänglich und nutzbar sein. Deshalb ist sicherzustellen, dass beim Einscannen von Papierdokumenten neben einer Texterkennung (OCR) auch eine Layout-Erkennung stattfindet und beim Speichern im Format PDF die erforderlichen Informationen zur Barrierefreiheit übernommen werden. Hierfür sind von besonderer Bedeutung:
- Wiedergabe von Text als Zeichenfolge
- Zugänglichkeit für assistive Technologien
- Vorhandensein von Standardstrukturelementen (Tags) in den Dokumenten
- Korrekte Spracheinstellung
- Textstrukturen (wie Absätze, Überschriften, Listen und Tabellen) sowie Layout-Strukturen (wie Kopf- und Fußzeilen sowie Seitenleiste)
- Sachgerechte Reihenfolge der Informationen
- Erkennen von Nicht-Text-Informationen (z. B. Bilder und Grafiken) und deren Beschriftung
- Navigierbarkeit des Dokuments durch Verzeichnisse und Lesezeichen
Die Texterkennung muss alle gängigen Maschinenschriften (keine Handschriften) auch bei unterschiedlicher Qualität weitgehend fehlerfrei erkennen können und das Ergebnis als
- Zeichen in Unicode String Latin
- an korrekter Position hinter dem Image (sodass Markieren und Entnehmen möglich wird)
- ohne überflüssige Leerzeichen innerhalb von Wörtern
im ausgegebenen PDF-Dokument speichern. Der erkannte Text muss sowohl zur Recherche (Volltextsuche) als auch für assistive Technologien geeignet sein.
Die Zeichenerkennungsquote darf bei den vom Auftraggeber mitgelieferten Musterdokumenten nicht schlechter als 95 Prozent und soll möglichst 98 Prozent oder besser sein.
Die Strukturerkennung muss Absätze und Seiten erkennen und auszeichnen. Dabei sind alle Textinhalte zumindest in Absätze (Tag <p>) zu strukturieren, d. h. sofern Überschriften, Listen und Tabellen nicht anhand der Formatierung als solche erkannt werden können, sind sie zumindest als Absätze zu strukturieren. Die Seitenstruktur und die Lesereihenfolge innerhalb einzelner Textblöcke sowie die Lesereihenfolge der Hauptinhalte muss dabei erhalten werden.
Die Strukturerkennung soll erkennen:
- Layout-Bereich (z. B. Briefkopf oder Seitenleiste)
- Überschriften
- Kopf-/Fußzeilen
- Aufzählungen und Listen
- Textspalten und Tabellen
- Verzeichnisse (z. B. Inhalts-, Tabellen- und Abbildungsverzeichnisse)
- Links und URLs
- Grafiken, Bilder und mathematische Formeln
- Formulare
- Sprache (auch für optionale Inhalte)
und durch entsprechende Standard-Strukturelemente (Tags, siehe DIN ISO 14289-1 – PDF/UA-Standard) kennzeichnen. Kopf- und Fußzeilen sind (entgegen der DIN ISO 14289-1) nicht als Artefakte zu kennzeichnen, da sie ansonsten für assistive Technologien nicht erfassbar sind und sich in einer E-Akte nicht ausschließen lässt, dass sich in Kopf- oder Fußzeilen relevante Inhalte befinden.
Das Erkennen der Layout-Bereiche ist eine Voraussetzung für den Aufbau einer sinnvollen Textabfolge in Form eines Strukturbaums. Dies erleichtert sowohl die Zugänglichkeit für beeinträchtigte Menschen als auch die Entnahme von Texten.
Elektronische Dokumente, die im Wege des ersetzenden Scannens aus Papierdokumenten erstellt werden, werden so weit mit Strukturinformationen ergänzt, wie dies maschinell nach dem Stand der Technik möglich ist. Hierbei ist die DIN ISO 14289-1 (PDF/UA-Standard) zu beachten.
Anpassungsmöglichkeiten
Permalink "Anpassungsmöglichkeiten"Der Formulierungsvorschlag ist je nach Auftragsgegenstand anzupassen oder zu ergänzen.
3.1.5 Barrierefreiheit während der gesamten Vertragslaufzeit
Permalink "3.1.5 Barrierefreiheit während der gesamten Vertragslaufzeit"Zielsetzung
Permalink "Zielsetzung"In die Leistungsbeschreibung ist aufzunehmen, dass die Anforderungen an die Barrierefreiheit über die gesamte Vertragslaufzeit erfüllt werden müssen, also auch bei Versionswechseln (wie beispielsweise bei Überarbeitungen, Aktualisierungen und Erweiterungen) sowie bei Wartung und Pflege der ausgeschriebenen IT-Lösung.
Formulierungsvorschlag (A-Kriterium)
Permalink "Formulierungsvorschlag (A-Kriterium)"Anpassungsmöglichkeiten
Permalink "Anpassungsmöglichkeiten"Für die Bieter kann es schwierig sein, den zusätzlichen Aufwand abzuschätzen, der sich aus der Aktualisierung von gesetzlichen Vorschriften und Standards zur Barrierefreiheit ergibt. Dennoch müssen die öffentlichen Stellen jederzeit eine barrierefreie IT-Lösung entsprechend der jeweils aktuellen Regelungen bereitstellen. Eventuell muss präzisiert werden, wo die Grenzen einer solchen Leistungspflicht liegen.
3.2 Anforderungen an den Entwicklungsprozess
Permalink "3.2 Anforderungen an den Entwicklungsprozess"Wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Verwirklichung von Barrierefreiheit ist, dass die Anforderungen zur Barrierefreiheit von Beginn an bei der Planung und Entwicklung konsequent und umfassend berücksichtigt werden. Gleichzeitig ist sicherzustellen, dass die Barrierefreiheit einen unverzichtbaren Teil der Maßnahmen zur Qualitätssicherung bildet. Hierzu ist die Barrierefreiheit ausdrücklich im Entwicklungsprozess zu verankern.
3.2.1 Oberflächenbibliothek
Permalink "3.2.1 Oberflächenbibliothek"Zielsetzung
Permalink "Zielsetzung"Eine wesentliche Voraussetzung für die Verwirklichung von Barrierefreiheit ist, dass bei der Entwicklung von Beginn an eine Oberflächenbibliothek verwendet wird, deren UI-Elemente barrierefrei sind. Die Erfahrung zeigt, dass Barrierefreiheit wesentlich besser erreicht werden kann, wenn von Anfang an sichergestellt wird, dass alle verwendeten UI-Elemente barrierefrei sind. Wichtig ist, dass schon die Oberflächenbibliothek barrierefreie Komponenten zur Verfügung stellt und eine barrierefreie Oberflächengestaltung ermöglicht.
In der Praxis gibt es verschiedene Vorschläge, wie dieses Ziel erreicht werden kann.
Formulierungsvorschlag 1: User Interface-Elemente (A-Kriterium)
Permalink "Formulierungsvorschlag 1: User Interface-Elemente (A-Kriterium)"Der Auftragnehmer ist verpflichtet für die Entwicklung der IT-Lösung eine Oberflächenbibliothek zu verwenden, die die in der Leistungsbeschreibung genannten Anforderungen zur Barrierefreiheit umsetzt und einhält.
Hierbei sind für die Einzelkomponenten die Vorgaben in der Handreichung „Barrierefreie Gestaltung von User Interface-Elementen“ (https://handreichungen.bfit-bund.de/barrierefreie-uie/), die der Leistungsbeschreibung als Anlage beigefügt ist, zu beachten.
Sofern die Bibliothek neben Komponenten auch Kompositionen aus mehreren UI-Elementen enthält, dann müssen auch diese barrierefrei sein.
Die Handreichung ist als Zusammenfassung und Überblick zu verstehen, die die für die UI-Elemente einzuhaltenden Anforderungen zur Barrierefreiheit – ohne Anspruch auf Vollständigkeit - beschreibt und erläutert, und ersetzt nicht die Einhaltung der in der Leistungsbeschreibung genannten Normen und Standards zur Barrierefreiheit in der jeweils aktuellen Fassung.
Der Auftragnehmer ist verpflichtet, dem Auftraggeber vor deren Verwendung geeignete Nachweise zur Barrierefreiheit der UI-Elemente vorzulegen.
Anpassungsmöglichkeiten
Permalink "Anpassungsmöglichkeiten"Sinnvoll ist der Einsatz von automatisierten Entwicklungswerkzeugen, die die Entwickler bei der Programmierung unterstützen, indem sie den Code der zu nutzenden UI-Elemente automatisiert generieren.
Hierdurch wird sichergestellt, dass die in der Oberflächenbibliothek definierten UI-Elemente an allen Stellen einheitlich und in gleicher Qualität verwendet werden.
Außerdem ist es einfacher, nachträgliche Anpassungen von UI-Elementen in die gesamte IT-Lösung zu übernehmen.
Formulierungsvorschlag 2: Komponentenbibliothek KoliBri (A-Kriterium)
Permalink "Formulierungsvorschlag 2: Komponentenbibliothek KoliBri (A-Kriterium)"Der Auftragnehmer ist verpflichtet, als Oberflächenbibliothek für die Entwicklung der IT-Lösung, die auf Webtechnologie basiert, die Komponentenbibliothek „KoliBri“ zu verwenden, die als EUROPEAN UNION PUBLIC LICENCE v1.2 Open Source zur Verfügung steht (https://public-ui.github.io/).
KoliBri dient dem Ziel die Vorgaben der Handreichung „Barrierefreie Gestaltung von User Interface-Elementen“ (https://handreichungen.bfit-bund.de/barrierefreie-uie/0.2/) umzusetzen und deren Einhaltung sicherzustellen.
Der Auftraggeber übernimmt weder Gewähr noch Haftung, dass KoliBri die in der Leistungsbeschreibung aufgeführten Anforderungen zur Barrierefreiheit vollständig erfüllt.
Sollten Komponenten dieser Bibliothek nicht vollständig barrierefrei sein, muss der Auftragnehmer den Auftraggeber darauf hinweisen und gegebenenfalls eine barrierefreie Komponente entwickeln.
Sollten einzelne Komponenten noch nicht in der KoliBri-Bibliothek enthalten sein, so soll der Auftragnehmer diese Komponenten als Beitrag zur Open-Source-Software entwickeln und der KoliBri-Bibliothek entsprechend der Lizenzbedingungen zur Verfügung stellen.
Anpassungsmöglichkeiten
Permalink "Anpassungsmöglichkeiten"Das ITZBund verwendet für die Entwicklung von IT-Lösungen, die auf Webtechnologie basieren, die Komponentenbibliothek „KoliBri“, die als EUROPEAN UNION PUBLIC LICENCE v1.2 Open Source zur Verfügung steht (https://public-ui.github.io/).
Der Formulierungsvorschlag ist gegebenenfalls um technische Details zu der verwendeten Komponentenbibliothek zu ergänzen. Bei Verwendung von KoliBri wird das Design mittels Theming einmalig entwickelt und kann in verschiedenen IT-Lösungen wiederverwendet werden. Wenn bereits ein „KoliBri-Theme“ vorhanden ist, ist die Formulierung um die Pflicht des Auftragnehmers auf Nutzung dieses mitzuliefernden „Themes“ zu ergänzen. Ist noch kein „KoliBri-Theme“ vorhanden, sollte der Auftragnehmer zur Entwicklung und Lieferung des „Themes“ verpflichtet werden.
Die Verwendung der Komponentenbibliothek Kolibri bietet eine höhere Gewähr für die Verwirklichung von Barrierefreiheit und sichert die digitale Souveränität des Auftraggebers.
Formulierungsvorschlag 3: Komponentenbibliothek des Auftraggebers (A-Kriterium)
Permalink "Formulierungsvorschlag 3: Komponentenbibliothek des Auftraggebers (A-Kriterium)"Der Auftragnehmer ist verpflichtet, für die Entwicklung der IT-Lösung die Komponentenbibliothek „… [Hier die Bezeichnung der Komponentenbibliothek eintragen] …“ zu verwenden, die dem Auftragnehmer von dem Auftraggeber zur Verfügung gestellt wird.
Die Komponentenbibliothek des Auftraggebers dient dem Ziel, die Vorgaben der Handreichung „Barrierefreie Gestaltung von User Interface-Elementen“ (https://handreichungen.bfit-bund.de/barrierefreie-uie/) umzusetzen und deren Einhaltung sicherzustellen.
Bei der Weiterentwicklung und Pflege der Komponentenbibliothek des Auftraggebers wird darauf geachtet, dass die Anforderungen zur Barrierefreiheit eingehalten und umgesetzt werden.
Sollten Komponenten dieser Bibliothek nicht vollständig barrierefrei sein, muss der Auftragnehmer den Auftraggeber darauf hinweisen und gegebenenfalls eine barrierefreie Komponente entwickeln.
Sollten einzelne Komponenten noch nicht in der Komponentenbibliothek enthalten sein, muss der Auftragnehmer diese Komponenten für den Auftraggeber entwickeln und die Komponentenbibliothek entsprechend ergänzen.
Anpassungsmöglichkeiten
Permalink "Anpassungsmöglichkeiten"Die Formulierung kann an die eigenen Bedarfe und Voraussetzungen angepasst werden. Der Formulierungsvorschlag ist gegebenenfalls um technische Details zu der verwendeten Komponentenbibliothek zu ergänzen. Der Vorteil einer solchen Vorgehensweise ist, dass der Auftraggeber eine einmal entwickelte barrierefreie Oberflächenbibliothek einschließlich der Vorgaben zum Design auch für die Entwicklung weiterer IT-Lösungen verwenden kann. Die Verantwortung bleibt in der Hand des Auftraggebers. Aufwand und Kosten entstehen nur einmal. Die Verwendung der Komponentenbibliothek des Auftraggebers bietet eine höhere Gewähr für die Verwirklichung von Barrierefreiheit und sichert die digitale Souveränität des Auftraggebers
3.2.2 Entwicklungsbegleitende Tests zur Barrierefreiheit
Permalink "3.2.2 Entwicklungsbegleitende Tests zur Barrierefreiheit"Zielsetzung
Permalink "Zielsetzung"Die besten Ergebnisse zur Barrierefreiheit lassen sich erzielen, wenn entwicklungsbegleitend beraten und getestet und schon während der Entwicklungszeit bei Mängeln nachgesteuert wird. Daher sollte der Auftragnehmer in der Leistungsbeschreibung verpflichtet werden, schon während der Entwicklungszeit Prüf- und Testergebnisse vorzulegen und vorhandene Mängel konsequent zu beseitigen.
Formulierungsvorschlag (A-Kriterium)
Permalink "Formulierungsvorschlag (A-Kriterium)"Der Auftragnehmer ist verpflichtet, durchgängig entwicklungsbegleitende Prüfungen und Tests zur Barrierefreiheit durchzuführen. Um die Einhaltung der Anforderungen zur Barrierefreiheit sicherzustellen, werden von Beginn an insbesondere die folgenden Prüfungen und Reviews durchgeführt:
- Reviews der Design-Entwürfe und der geplanten Oberflächengestaltung (Styleguide)
- Prüfung der UI-Elemente der Programmbibliothek
- Prüfung der in den einzelnen Entwicklungsabschnitt (z.B. Sprints) entwickelten Komponenten und Funktionalitäten
- Prüfung von Hilfe-Funktionen und Benutzerhandbüchern
Gegenstand der entwicklungsbegleitenden Prüfungen (Review, Test, …) sind auch die vollständige Tastaturbedienbarkeit und die Nutzbarkeit mit assistiven Technologien (Screenreader, Screenmagnifier, Sprachsteuerung). Die Ergebnisse der Prüfungen sind jeweils zu dokumentieren. Nach jedem Entwicklungsabschnitt (z. B. Sprint) ist ein eigener Bericht zu erstellen. Die Berichte sind dem Auftraggeber vorzulegen.
Anpassungsmöglichkeiten
Permalink "Anpassungsmöglichkeiten"Die entwicklungsbegleitenden Prüfungen und Tests sind Bestandteil der Qualitätssicherung für den Bereich der Barrierefreiheit. Je nach Vorgehensmodell und Zeitplänen für die Lieferung von Teil-Leistungen ist der Formulierungsvorschlag um weitere Prüfgegenstände und Prüfschritte (z. B. umfassende Prüfung mit assistiven Technologien) zu ergänzen. Bei einer agilen Entwicklung ist die Einhaltung der Anforderungen zur Barrierefreiheit in die „definition of done“ aufzunehmen. Fertige Teillieferungen sind einer ausführlichen Prüfung zu unterziehen.
Werden (Teil-)Zahlungen des Auftraggebers an den Auftragnehmer an Meilensteine geknüpft, die einen bestimmten Lieferumfang, eine bestimmte Zielerreichung oder eine bestimmte Qualität definieren, ist auch die Umsetzung der Barrierefreiheit in die Zahlungsvoraussetzungen aufzunehmen.
3.2.3 Usability-Tests durch unterschiedliche Nutzergruppen
Permalink "3.2.3 Usability-Tests durch unterschiedliche Nutzergruppen"Zielsetzung
Permalink "Zielsetzung"Nutzungstests durch Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen, z. B. durch blinde Nutzer mit einem Screenreader (einschließlich Braillezeile und Sprachausgabe), durch sehbeeinträchtigte Nutzer mit einem Screenmagnifier (Bildschirmlupe mit ergänzender Sprachausgabe) oder durch motorisch eingeschränkte Nutzende mit einem Programm zur Navigation und Steuerung über Sprachbefehle, geben wichtige Einblicke für die Verwirklichung von Barrierefreiheit. Allein die Einhaltung der Anforderungen aus den Standards zur Barrierefreiheit) reicht häufig nicht aus, um sicherzustellen, dass sich eine IT-Lösung auch mit assistiven Technologien effizient und effektiv nutzen lässt (Usability). Hier geben Nutzungstests, die auch den Workflow einbeziehen, wichtige Hinweise für die Verwirklichung von Barrierefreiheit.
Formulierungsvorschlag (A-Kriterium)
Permalink "Formulierungsvorschlag (A-Kriterium)"Der Auftragnehmer ist verpflichtet, entwicklungsbegleitende Tests zur Usability durchzuführen, an denen Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen und verschiedenen assistiven Technologien (Screenreader, Screenmagnifier, Sprachsteuerung) teilnehmen.
Die Tests zur Usability sind in regelmäßigen Abständen durchzuführen und sollen sich ausgehend von den mit der IT-Lösung zu erledigenden Aufgaben an den bereits erstellten Geschäftsprozessen orientieren. Gegenstand der Usability-Tests ist in der Regel der vollständige Workflow. Die Ergebnisse der Usability-Tests sind bei der weiteren Entwicklung der IT-Lösung zu berücksichtigen. Die Usability-Tests dienen dem Ziel, die Barrierefreiheit weiter zu verbessern. Die Ergebnisse der Usability-Tests sind jeweils in einem Bericht zu dokumentieren. Die Berichte sind dem Auftraggeber zusammen mit den aufgrund der Tests vorgesehenen Verbesserungen vorzulegen.
Anpassungsmöglichkeiten
Permalink "Anpassungsmöglichkeiten"Der Formulierungsvorschlag kann ergänzt werden, indem die einzubeziehenden Nutzergruppen und die Zahl der Probanden je Nutzergruppe sowie die verwendeten assistiven Technologien (z. B. JAWS, NVDA, ZoomText, SuperNova, Dragon Naturally Speaking) benannt werden. Außerdem ist festzulegen, in welchen zeitlichen Abständen Nutzungstests durchzuführen sind (z. B. beginnend nach Erstellung der ersten Inkremente und vor der Fertigstellung einer jeden (Teil-)Leistung.
3.2.4 Konzept zur Umsetzung der Barrierefreiheit
Permalink "3.2.4 Konzept zur Umsetzung der Barrierefreiheit"Zielsetzung
Permalink "Zielsetzung"Wenn die Leistungsbeschreibung entwicklungsbegleitende Maßnahmen zur Sicherstellung der Barrierefreiheit nicht schon als A-Kriterien enthält (vgl. 3.2.1 und 3.2.2), sollte dem Auftragnehmer aufgegeben werden, hierzu ein Konzept vorzulegen.
In diesem Konzept ist vom Bieter für den gesamten Herstellungsprozess von der Entwurfsplanung über die Entwicklung bis zur Fertigstellung darzustellen, wie die Umsetzung und Einhaltung der in der Leistungsbeschreibung festgelegten Anforderungen zur Barrierefreiheit von ihm sichergestellt wird und welche Maßnahmen zur Qualitätssicherung hinsichtlich der Barrierefreiheit vorgesehen sind.
Formulierungsvorschlag (B-Kriterium)
Permalink "Formulierungsvorschlag (B-Kriterium)"Zusammen mit dem Angebot ist ein Konzept zur Sicherstellung der Barrierefreiheit vorzulegen. In dem Konzept ist für den gesamten Herstellungsprozess, von der Entwurfsplanung über die Entwicklung bis zur Fertigstellung darzustellen, wie die Umsetzung und Einhaltung der in der Leistungsbeschreibung festgelegten Anforderungen zur Barrierefreiheit sichergestellt wird und welche weiteren Maßnahmen der Qualitätssicherung (abgesehen von dem abschließenden Gutachten zur Barrierefreiheit) hinsichtlich der Barrierefreiheit vorgesehen sind.
Im Einzelnen ist z. B. für IT-Fachanwendungen in dem Konzept darzustellen, durch welche technischen, organisatorischen und personellen Maßnahmen
- die vollständige Bedienbarkeit der IT-Lösung per Tastatur und Shortcuts,
- die individuelle Einstellbarkeit von Größe von Schrift und Symbolen sowie Farben und Kontrasten,
- die durchgängige Nutzbarkeit mit einem Screenmagnifier (Bildschirmlupe mit ergänzender Sprachausgabe) einschließlich Fokusverfolgung und Schriftglättung,
- die uneingeschränkte Nutzbarkeit und Bedienbarkeit mit einem Screenreader (einschließlich Braillezeile und Sprachausgabe) und
- die durchgängige Bedienbarkeit einer Spracheingabesoftware
in der zu entwickelnden IT-Lösung durchgängig sichergestellt wird.
Bewertungsvorschlag
Permalink "Bewertungsvorschlag"Die Wertung des Konzepts zur Sicherstellung der Barrierefreiheit erfolgt in Anlehnung an das Schulnotensystem mit 0 bis 5 Punkten. Dabei bedeuten
- 0 Punkte (ungenügend):
Die in dem Konzept beschriebene Vorgehensweise hat inakzeptable inhaltliche, strukturelle oder logische Schwächen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn in den Ausführungen auf die in dem Bewertungskriterium genannten Aspekte nicht eingegangen wird oder der Konzeptentwurf nicht umsetzbar ist.
- 1 Punkt (mangelhaft):
Die in dem Konzept beschriebene Vorgehensweise hat sehr große inhaltliche, strukturelle oder logische Schwächen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn in den Ausführungen auf die meisten in dem Bewertungskriterium genannten Aspekte nicht oder nicht nachvollziehbar eingegangen wird oder bzgl. der praktischen Umsetzbarkeit des Konzeptes erhebliche Zweifel bestehen.
- 2 Punkte (ausreichend):
Die in dem Konzept beschriebene Vorgehensweise hat große inhaltliche, strukturelle oder logische Schwächen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn in den Ausführungen auf einige der in dem Bewertungskriterium genannten Aspekte nicht oder nicht nachvollziehbar eingegangen wird oder große Zweifel an der praktischen Umsetzbarkeit des Konzeptes bestehen.
- 3 Punkte (befriedigend):
Die in dem Konzept beschriebene Vorgehensweise hat punktuell inhaltliche, strukturelle oder logische Schwächen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn in den Ausführungen auf viele der in dem Bewertungskriterium genannten Aspekte nachvollziehbar eingegangen wird oder bzgl. der praktischen Umsetzbarkeit des Konzeptes manche Zweifel bestehen.
- 4 Punkte (gut):
Die in dem Konzept beschriebene Vorgehensweise ist größtenteils schlüssig dargestellt und hat nur sehr wenige inhaltliche, strukturelle oder logische Schwächen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn in den Ausführungen auf die meisten der in dem Bewertungskriterium genannten Aspekte nachvollziehbar eingegangen wird und bzgl. der praktischen Umsetzbarkeit des Konzeptes keine wesentlichen Zweifel bestehen.
- 5 Punkte (sehr gut):
Die in dem Konzept beschriebene Vorgehensweise ist schlüssig und vollständig dargestellt und lässt keine Schwächen erkennen. In den Ausführungen wird auf alle der in dem Bewertungskriterium genannten Aspekte nachvollziehbar eingegangen und es bestehen keine Zweifel an der praktischen Umsetzbarkeit des Konzeptes.
Anpassungsmöglichkeiten
Permalink "Anpassungsmöglichkeiten"Bei Bedarf können die Inhalte, zu denen ein Bieter in dem vorzulegenden Konzept Stellung nehmen soll, um weitere Aspekte und Maßnahmen ergänzt werden. Die Bewertung nach dem Schulnotenmodell ist ein Beispiel für eine mögliche Bewertungsmatrix. Außerdem ist eine Gewichtung im Verhältnis zu den übrigen Bewertungskriterien vorzunehmen.
Die Auflistung ist auf den Auftragsgegenstand und auf die potenziellen Nutzergruppen anzupassen.
3.3 Anforderungen an die Dokumentation
Permalink "3.3 Anforderungen an die Dokumentation"Zu den Anforderungen an die Barrierefreiheit der auszuschreibenden IT-Lösung gehört auch, dass die von dem Auftragnehmer zu erstellenden Dokumente (einschließlich der Produktdokumentation, der Benutzerhandbücher und der Hilfe-Funktionen sowie der sonstigen Unterlagen) barrierefrei sein müssen.
3.3.1 Hilfe-Funktionen, Benutzerhandbücher und Schulungsunterlagen
Permalink "3.3.1 Hilfe-Funktionen, Benutzerhandbücher und Schulungsunterlagen"Zielsetzung
Permalink "Zielsetzung"In die Leistungsbeschreibung ist daher auch aufzunehmen, dass auch Hilfe-Funktionen, Benutzerhandbücher und Schulungsunterlagen barrierefrei sein müssen, unabhängig davon, ob sie als Teil der IT-Lösung oder separat zur Verfügung gestellt werden. Erforderlich ist auch, dass die vorhandenen Tastaturbefehle, einschließlich der Short-Cuts, vollständig dokumentiert und Nutzereinstellungen, beispielsweise zur Größe von Schrift und Symbolen, sowie zu Farben und Kontrasten erläutert werden.
Formulierungsvorschlag (A-Kriterium)
Permalink "Formulierungsvorschlag (A-Kriterium)"Anpassungsmöglichkeiten
Permalink "Anpassungsmöglichkeiten"Je nach Art der Hilfe-Funktion, der Benutzerhandbücher und der Schulungsunterlagen sind die Anforderungen anzupassen oder zu ergänzen.
3.3.2 Dokumente zum Liefergegenstand
Permalink "3.3.2 Dokumente zum Liefergegenstand"Zielsetzung
Permalink "Zielsetzung"Außerdem ist in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen, dass auch alle anderen zum Lieferumfang gehörenden Dokumente, einschließlich der Projekt- und Produktdokumentation und der vorzulegenden Testberichte, barrierefrei sein müssen.
Formulierungsvorschlag (A-Kriterium)
Permalink "Formulierungsvorschlag (A-Kriterium)"Anpassungsmöglichkeiten
Permalink "Anpassungsmöglichkeiten"Die Liefergegenstände können um weitere Dokumente ergänzt werden. Hierzu können auch Dokumente gehören, die während der Projektlaufzeit erstellt werden (z.B. Präsentationen, Protokolle und Meilensteinpläne).
Informationen zu diesem Artikel
Gerne können Sie uns Feedback per E-Mail zu unserer Handreichung senden!